4. Proaktives Wording

Auf den in Kapitel 3 vorgestellten Ausgangspunkten fußend stellen wir Autoren nachfolgend unsere Vorschläge/Anregungen/Inspirationen für ein neues Vokabular/Wording vor:


4.1 Neues Wording

Vorschläge/Anregungen/Inspirationen für ein neues Wording mit teilweise komplett neuen Begriffen, die i. d. R. auch neue bzw. vielen Mitmenschen unbekannte Denkkategorien verkörpern und die man gezielt in Debatten einführen/einbringen kann, um neue Sachverhalte zu beschreiben:

  • Backcasting, das >> Backcasting ist eine etablierte Planungsmethode, bei der zunächst das erforderliche Resultat definiert und nachfolgend die zur Erreichung dieses (nur durch neue, i. d. R. wissenschaftliche Befunde veränderlichen) Zieles erforderlichen Schritte konkret festgelegt werden. Anders ausgedrückt: Man geht nicht, wie gewohnt, vom Ist-Zustand, der optimiert werden soll, aus, sondern vielmehr vom wissenschaftlich/ethisch Erforderlichen.
  • begrenzte Welt, die >> Wir leben in einer begrenzten Welt, in der man nur das verteilen kann, was da ist.

  • Billigstnahrung, die = Nahrung, die z. B. auf Basis von Pestiziden (u. a. Herbizide wie Glyphosat und Fungizide) und/oder Gentechnik hergestellt wird und möglicherweise darüber hinaus hochgradig verarbeitet ist – und für die wir Bürger:innen einen extrem hohen Preis zahlen. ‚Bio‘ ist das Normale, weil es zukunftsfähig ist ( ‚normal‘).
    Bezeichnet, benannt und hervorgehoben wird i. d. R. lediglich die (angenommene) Ausnahme, vgl. Vegetarismus. Daher kann eine explizite Benennung des bislang vermeintlich ‚Normalen‘ zum Perspektivwechsel beitragen. Der hier vorgeschlagene Begriff dient der Bezeichnung der bislang als ‚normal‘ geltenden Nahrung aus konventioneller, Pestizide benutzender und somit bodenschädigender Agrarkultur. Der Begriff markiert den Unterschied zu den Lebensmitteln des gehobenen Biostandards, die so angebaut werden, wie es zur Bewahrung lebendiger Böden bzw. zum Humusaufbau erforderlich ist. Hier ist demnach die Frage aufzuwerfen, was ‚normal‘ ist: konventionelle oder Bio-Produktion? Wir Autoren sehen ‚Bio‘ als normal und ‚konventionell‘ als unnormal an. Eine derartige Umkehrung der Perspektive ist in unserer Gesellschaft auch für tierische Produkte angemessen: Quälfleischa (= Haltungsformen 1-3) wird bislang von vielen Mitbürger:innen offenbar als ‚normal‘ empfunden.1 Das lehnen wir, die Autoren dieser Handreichung ab und regen gleichzeitig Folgendes an: Wir haben uns klar zu machen, dass der Ladenpreis für ein nach Demeter- oder Bioland-Regeln aufgezogenes und geschlachtetes Tiefkühlhähnchen nicht überzogen, sondern i. d. R. angemessen ist: Nur so ist eine einigermaßen ‚anständige‘ Haltung sowie die Erzeugung von Fleisch/Fisch ohne antibiotikaresistente Keime möglich ( ‚Lebensmittel, die‘ sowie ‚Gesundheitsaspekt von konventionellem Fleisch‘).
Erläuterungen zu (a)

a Die einzige Haltungsform, die nach Auffassung der Autoren nicht vollkommen unerträglich ist, wird abenteuerlicherweise als „Premium“ bezeichnet (vgl. Knecht 2021). 

Das Doughnut-Modell – entwickelt von Kate Raworth (2017), hier dargestellt mit Hervorhebung der absoluten planetaren Belastungsgrenzen.
Das Doughnut-Modell – entwickelt von Kate Raworth (2017), hier dargestellt mit Hervorhebung der absoluten planetaren Belastungsgrenzen.
  • Doughnut[-Modell], der [das] >> Das Doughnut-Modell veranschaulicht, wie ‚gutes Leben für alle‘ auf der Erde dauerhaft möglich ist. Die Grafik sieht aus wie das populäre Süßgebäck mit dem Loch in der Mitte. Der äußere Rand – die ökologische Decke – markiert die planetaren Belastungsgrenzen, die unbedingt und absolut eingehalten werden müssen. Der innere Rand zeigt die sozialen Mindeststandards, die für unser menschenwürdiges Dasein wichtig sind. Was die beiden Ränder des Doughnuts überragt, bedeutet ein Zuviel an Naturverbrauch bzw. zu wenig Bedürfnisbefriedigung. Die Ökonomie hat innerhalb des Doughnuts für das Wohlergehen der Menschen zu sorgen.
    • Extra hervorzuheben ist zum Doughnut Folgendes: Die äußeren Grenzen des Doughnuts sind absolute Grenzen, die wir Menschen unterschreiten müssen, weil sonst die Lebenserhaltungssysteme der Erde kollabieren.
    • ‚Gutes Leben für alle‘ bedeutet, dass sich jede:r nur so viel nehmen kann, dass niemand zu kurz kommt.
  • Dystopie, die >> negative Utopie. Noam Chomsky wirft 2021 die Frage auf, inwieweit wir Menschen bereits heute in einer Dystopie leben. Diese Perspektive ist nach Ansicht der Autoren spannend, weil wir Menschen uns unter Annahme einer bereits jetzt stattfindenden Dystopie nicht länger vormachen können, uns drohe eine solche dystopische Welt. Im Unterschied zur ‚Weiter so‘-Perspektive kann aus diesem Blickwinkel unser Leben in der Zukunft folglich besser werden.2

  • Einflussgerechtigkeit, die >> ist das Prinzip, dass reiche Menschen nicht mehr Einfluss haben dürfen als weniger reiche Menschen: ‚one (wo)man – one vote‘. Politische Repräsentant:innen haben, gesichert durch ein Diversitätsgebot, durch Nebenerwerbsverbot, maximale Transparenz (‚gläserne:r Politiker:in‘) gegenüber den Interessen aller Bürger:innen gleichermaßen „aufgeschlossen zu sein […], diese zur Kenntnis zu nehmen und in die politischen Entscheidungen einfließen zu lassen“3 ().
  • Energieknappheit, die | Zeiten, die energieknappen >> Tatsächlich stehen der Menschheit energieknappe Zeiten bevor, weil diese schneller von den fossilen Energieträgern lassen muss, als sie erneuerbare Energie installieren kann (). ‚Der Anteil von Wind und Solar an der globalen Endenergie beträgt im Jahr 2019 erst 1,8 %‘. Es ist wichtig, fair und richtig, die Menschen darauf vorzubereiten – und zu vermeiden, stattdessen von Energiearmut oder energiearmen Zeiten zu sprechen.
  • Erpressung, die ökologische >> Mit zunehmendem ökologischen Druck gerät die Weltgemeinschaft immer tiefer in die Abhängigkeit von Staaten bzw. Machthaber:innen, die über überlebensnotwendige Ressourcen wie Regenwald oder lebensfeindliche Ressourcen wie fossile Energieträger verfügen und diese als politisches Druckmittel einsetzen.
  • GCR events, die | Global Catastrophic Risk (GCR) events, die >> Weitgehend medial unbeachtet ist der im Mai 2022 erschienene UN-Bericht „Global Assessment Report on Disaster Risk Reduction“ (GAR2022) geblieben. Hier hatten Interessierte einen neuen Begriff zu lernen: „Global Catastrophic Risk (GCR) events are defined as those leading to more than 10 million fatalities or greater than $10 trillion in damages“ – auf Deutsch: „Globale Katastrophenrisiken-Ereignisse werden als solche Ereignisse definiert, die zu mehr als 10 Millionen Todesopfern oder Schäden von mehr als 10 Billionen Dollar führen.“4
  • Hebelpunkte, die >> Es ist die Frage aufzuwerfen, welche Transformationen besonders effektiv und weiterführend sind – das sind die sog. Hebelpunkte. Das private Verhalten den gegenwärtigen Erfordernissen von Klima und Mitwelt anzugleichen, ist gut und richtig – gerade, was die Außenwirkung und die eigene Bewusstwerdung betrifft. Dazu gehören auch einige einmalige Maßnahmen, darunter den Stromanbieter und/oder die Bank zu wechseln, vgl. konkret.handbuch-klimakrise.de.
  • Doch die großen Hebelpunkte liegen für Individuen woanders, bspw. in der Mitarbeit bei entsprechenden Verbänden, im persönlichen Gespräch mit der:dem eigenen Bundestagsabgeordneten oder im gezielten Spenden.

  • imperiale Lebensweise, die >> Der von Ulrich Brand und Markus Wissen 2017 in die Öffentlichkeit getragene Begriff umschreibt die ausbeuterische Lebensweise insbesondere des globalen Nordens, der mehrdimensional sowohl räumlich (Rohstoffe, Verschmutzung, global) als auch zeitlich (zukünftige Generationen) die Mitwelt vernutzt und seinen als überlegen empfundenen Status u. a. durch Ausbeutung in der Vergangenheit (Kolonialismus) erlangt hat.5

  • Intersektionalität, die | intersektional >> „Unter Intersektionalität wird die Verschränkung verschiedener Ungleichheiten verstanden. Zugehörigkeiten und Lebensrealitäten wie Geschlecht, Ethnizität, Klasse, Religion, Weltanschauung, sexuelle Orientierung, Gesundheit, Alter etc. bestimmen in einer Wechselwirkung zu einander gesellschaftliche Chancen.“6 Der Begriff wird insbesondere verwendet, um aus feministischer Perspektive auf sich aufsummierende Diskriminierungen verweisen zu können ().
  • Lebenserhaltungssysteme der Erde, die
    • Kurzversion: Es gibt eine Reihe von Erdsystemen, die uns Menschen, Tiere und Pflanzen am Leben halten, darunter die Artenvielfalt, auch ‚web of life‘ (auf Deutsch: Netz des Lebens) genannt: Klima, Wälder, Ozeane, Trinkwasser und Ozonschicht. Diese lebensstiftenden Systeme haben Grenzen, man nennt sie die ‚planetaren Belastungsgrenzen‘. Überschreiten wir Menschen eine oder mehrere ökologische Grenzen dieses Planeten dauerhaft, ist alles Leben bedroht.
    • Langversion: Die lebensstiftenden ökologischen Erdsysteme haben Belastungsgrenzen, deren dauerhafte Überschreitung unsere Lebensgrundlagen und alles Leben auf der Erde existenziell bedroht. In der Wissenschaft nennt man diese ökologischen Maximalbelastungsgrenzen ‚planetare Belastungsgrenzen‘. Zu den lebensstiftenden Erdsystemen bzw. den Lebenserhaltungssystemen der Erde zählen das ‚web of life‘ (auf Deutsch: Netz des Lebens) bzw. die Artenvielfalt (die z. B. wegen komplexer Nahrungsketten erhalten bleiben muss), das Klima bzw. die Atmosphäre (deren Zusammensetzung sich nicht zu stark ändern darf), die biochemischen Kreisläufe von Phosphor und Stickstoff (die über die Düngung ins Grundwasser sowie die Meere gelangen und dort u. a. ‚tote Zonen‘ hervorrufen), die Ozonschicht (die nicht dünner werden darf), die Wälder (die nicht weiter abgeholzt werden dürfen), die Ozeane (die nicht weiter versauern und verdrecken dürfen), das Süßwasser/Trinkwasser (ohne das alles nichts ist), nochmals die Atmosphäre (Eintrag möglichst weniger Aerosole wie Ruß). Hinzu tritt die Warnung vor der Freisetzung von neuartigen Stoffen wie (Mikro-)Plastik und Antibiotika, bei denen die Langzeitwirkung verheerend sein könnte.7

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 20a

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“


Bundesverfassungsgericht: Beschluss vom 24. März 2021

Das Bundesverfassungsgericht stellt klar, dass der Schutzauftrag in Art. 20a des Grundgesetzes vom Staat verlangt, mit den natürlichen Lebensgrundlagen sorgsam umzugehen und „sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.“ (BVerfG (Fn. 2), Rn. 112, 197)

  • Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass der Gesetzgeber frühzeitige und verbindliche Maßnahmen zur Erreichung der gesetzten Klimaschutzziele umzusetzen hat. (BVerfG (Fn. 2), Rn. 134)
  • Das Gericht macht überdies deutlich, dass die Reduktion von CO2-Emissionen aus Sicht des Grundgesetzes unausweichlich ist und rechtzeitig erforderliche Transformationen eingeleitet werden müssen. (BVerfG (Fn. 2), Rn. 194)
  • Das Bundesverfassungsgericht erklärt das verbleibende nationale CO2-Restbudget von 6,7 Gigatonnen ab dem Jahr 2020, wie es der Sachverständigenrat für Umweltfragen ermittelt hat, bei der Bestimmung von gesetzlichen Reduktionsmaßgaben für maßgeblich. (BVerfG (Fn. 2), Rn. 216, 217, 229, 231)

  • normal – Adjektiv>> Was genau ist ‚normal‘? Im allgemeinen Sprachgebrauch heißt das: ‚das Übliche‘, ‚das Gewohnte‘, ‚das Altbekannte‘. Luisa Neubauer und Dagmar Reemtsma weisen 2022 darauf hin, dass „Selbstverständlichkeiten […] ja keinen Titel[, d. h. keine gesonderte Benennung brauchen], das macht sie aus.“8 Maja Göpel sagt dazu ebenfalls 2022: „Der Begriff ‚Normalität‘ ist ja bereits wertend und macht mögliche Alternativen klein.“9 Des Weiteren unterliegen wir Menschen oft der irrigen Annahme, der Jetzt-Zustand wäre von Dauer – und ein Leben wie bspw. vor 50 Jahren undenkbar. Wir Autoren regen an, den Begriff ‚normal‘ in Diskussionen bewusst mit einer anderen Bedeutung anzusetzen: ‚Normal kann nur sein, was die Zivilisation nicht kollabieren lässt.‘
    • Das Wort stammt vom lateinischen Adjektiv normālis ab und bedeutet hier ‚nach dem Winkelmaß‘, ‚nach der Regel gemacht‘. Normal kann sowohl sein, was immer wieder ähnlich abläuft als auch das, was bspw. den wissenschaftlichen, juristischen Normen entspricht, u. a. dem Grundgesetz Artikel 20a und dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 (siehe rechte Spalte).10
    • Wir schlagen somit vor, selbst aktiv ,das Normale‘, d. h. die ‚Normalität‘, für sich zu beanspruchen: Normal ist es beispielsweise nach Ansicht der Autoren, terran () zu leben und nicht fünfmal im Jahr in den Urlaub zu fliegen ( Aspekt ‚Bio‘: Was ist ‚normal‘?).
  • Notstand, der planetare >>Der Begriff ist eine zutreffende Beschreibung der Situation, in der sich die Menschheit bzw. alles Leben nunmehr befindet.

  • Omnivor:in, die:der >> Bezeichnung für einen Menschen, der sowohl pflanzliche als auch tierische Proteine zu sich nimmt. Bislang wurden nur gemäß hiesiger Wahrnehmung ‚Andersessende‘ gesondert bezeichnet, d. h. Vegetarier:innen, Veganer:innen, Frutarier:innen. Diese Neubezeichnung begünstigt (analog zu ‚Billigstnahrung‘) einen Perspektivenwechsel, d. h., die bisherige Grunderzählung, dass täglicher Fleischverzehr normal sei, wird dadurch geschwächt. Hinweis: Es geht uns Autoren nicht um Ausgrenzung, sondern darum, diesen Sachverhalt klar und nüchtern bezeichnen zu können.
    Zwei weitere Begriffe sind in diesem Zusammenhang zu nennen: Tierindustrie (statt ‚Massentierhaltung‘) und Tierproteine (zusammenfassend statt Fleisch, Kotelett, Steak, Wurst, Milch, Fisch etc., vgl. ebd.).

  • one planet thinking, das >> Das Prinzip, nicht in Ländern, Religionen oder Kulturen zu denken, sondern stets die gesamte Mitwelt und Menschheit in die Gedankengänge und Argumentationen einzubeziehen. Letztlich ist in Zeiten der globalen multiplen Krise ausschließlich ‚one planet thinking‘ zukunftsfähig.

  • Possibilist:in, die:der | Possibilismus, der (vgl. ‚possible‘ = ‚möglich‘) >> Jakob von Uexküll, den Begründer des Right Livelihood Award, d. h. des sog. alternativen Nobelpreises, definiert Possibilist:in wie folgt: „Der Possibilist […] sieht die Möglichkeiten, und es hängt von jedem von uns ab, ob sie verwirklicht werden.“11
    Luisa Neubauer und Alexander Repenning halten dazu fest: „Possibilismus heißt: die Ärmel hochkrempeln. Während Pessimist*innen schnell in einen ebenso lähmenden wie selbstmitleidigen Fatalismus verfallen, und während es sich Optimist*innen in der Erwartung einer rosigen Zukunft bequem machen, werden wir Possibilist*innen aktiv. Solange eine, und sei es noch so kleine Chance auf ein besseres Morgen besteht, sollten wir heute alles daransetzen, sie zu nutzen. Es ist unbequem, Possibilist*in zu sein, es ist anstrengend, anzupacken. Das unterscheidet uns sowohl von Optimist*innen als auch von Pessimist*innen: Wir wissen, dass eine andere Zukunft möglich ist, aber wir wissen auch, dass wir sie nicht geschenkt bekommen.“12 ( Begriff ‚Zuversicht, die‘).

  • Proaktive, die:der >> Menschen, die sich bewusst aktiv um (Menschheits-)Herausforderungen kümmern, bevor es für eine Abmilderung der multiplen Krise der Mitwelt zu spät ist.
  • radikal – Adjektiv >> besitzt in der Umgangssprache potenziell den negativen Beigeschmack des ‚zu weit Gehenden‘ und in diesem Sinne des ‚Unzulässigen‘. Wir Autoren geben davon abweichend zu bedenken, dass es im Unterschied zur mehrheitlichen Sprachwahrnehmung tatsächlich radikal ist, weiterzumachen wie bisher. Hierzu halten Luisa Neubauer und Alexander Repenning 2019 Folgendes fest: „Was ist radikal daran, umwelt-, klima- und gesundheitsschädliche Geschäftspraktiken zu verbieten? Radikal ist es, sie nicht zu regulieren. Radikal ist es, stattdessen Anreize zu schaffen, die Unternehmen, die Umwelt, Klima und Gesundheit schädigen, steuerlich zu entlasten. Radikal ist es, einen anhaltenden ökologischen Wahnsinn im Namen der Freiheit zu verteidigen. Radikal, auf die denkbar destruktivste Weise.“13
    Vom Wortursprung her bedeutet der Begriff ‚die Dinge grundlegend angehen‘ bzw. ‚bei der Wurzel packen‘ (lat. radix = die Wurzel). Das wiederum bedeutet, dass wir Menschen zur Zukunftsermöglichung eine radikale Herangehensweise brauchen.
  • Rebound(-Effekt), der = ‚Bumerang-Effekt‘ >> Man legt alle Kraft in den Wurf, um einer Sache die richtige Richtung zu geben – und dann kehrt das Problem an unerwarteter Stelle zurück. Begriff einführen als ‚Denkfehler‘ bzw. als Falle des Denkens.
    Der z. B. von Niko Paech 2012 herausgestellte Rebound-Effekt beschreibt die immer wieder zu beobachtende Tatsache, dass technische Verbesserungen bei Produkten, die dazu führen, dass sie mit weniger Rohstoffen gebaut und billiger verkauft werden können, nicht etwa dazu führen, dass insgesamt weniger Rohstoffe verbraucht, sondern im Gegenteil, dass mehr von den Produkten verkauft und dadurch insgesamt mehr Rohstoffe verbraucht werden. Fazit: Effizienz führt zu ‚(mehr) Mehrverbrauch‘ ().
  • Resilienz, die | resilient >> widerstandsfähige Umgestaltung sowohl von Infrastrukturen sowie politischen Strukturen. Der Begriff meint auch die psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern und erwachsenden Bürger:innen. Resilienz-Strategien sind erforderlich, weil sich die Menschheit mittlerweile zu tief in die Überlebenskrise hineinmanövriert hat, sodass wir Menschen die Folgen der multiplen Krise nur noch abmildern, aber nicht mehr in Gänze beseitigen können.
  • Suffizienz, die | suffizient >> steht für das Begrenzen und ein ‚Weniger‘. Der BUND definiert den Begriff wie folgt: Suffizienz „zielt im Bewusstsein der begrenzten natürlichen Ressourcen, der Klimakrise und des sechsten Massenaussterbens darauf, absolut Energie und Material zu sparen.“14 Anzustreben ist eine Gesellschaftskultur bzw. eine gesellschaftliche ‚Kultur des Genug‘. Damit verbunden ist die Frage, was gesellschaftlich genug ist. Somit ist die Maja-Göpel-Frage aufzuwerfen: Was brauchen „wir denn unbedingt, wenn wir gut versorgt sein wollen?“15
    • Suffizienz ist eng mit ‚Degrowth‘ (auf Deutsch: Wachstumsrückgang) verknüpft. Jason Hickel erklärt dies 2020 wie folgt: „Degrowth ist eine geplante Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs, um die Ökonomie wieder in ein Gleichgewicht mit der lebendigen Welt zu bringen, sodass Ungleichheit verringert und das menschliche Wohlbefinden verbessert wird.“16
    • Hinweis: In Gesprächen etc. ist immer zu verdeutlichen, dass Suffizienz durch eine Veränderung/Transformation des Gesamtsystems (d. h. nicht individuell) erreicht werden muss.
  • Suffizienzpolitik, die (auch: Politik des gesellschaftlichen Genug, die) >> Dieser Begriff beschreibt politische Maßnahmen, die dazu beitragen, die Nutzung von Energie, Material, Fläche und Wasser so zu reduzieren, dass die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen gewährleistet ist.

  • terran – Adjektiv >> einführen als „auf dem Boden [der Tatsachen bzw. unseres Planeten] bleiben und nicht fliegen“ (https://terran.eco/), geerdeter Lebensstil: terran leben, terran reisen, durchaus auf Kreuzfahrten erweiterbar. Bedauerlicherweise ‚übersieht‘ der Begriff den motorisierten Individualverkehr (MIV). Gleichzeitig steckt darin eine schöne Denk-Revolution. >> ähnlich, aber umgangssprachlicher: ‚planetenkonform leben‘.

  • Transformation, die (gesamt)gesellschaftliche >> Transformation = outside the box = außerhalb bisheriger Denkgewohnheiten = umfassendes Veränderungspaket. Reform = inside the box = innerhalb des bisherigen Systems denkend = Bündel von Einzelmaßnahmen. Wir regen an, den bislang in diesem Sinnzusammenhang verwendeten Begriff ‚sozial-ökologische Transformation (SÖT)‘ zu vermeiden, weil er durch die Nennung der beiden Einzelbegriffe ‚sozial‘ und ‚ökologisch‘ potenziell trennt, was nicht zu trennen ist. Auf diese Weise wird die gesellschaftliche Spaltung unnötig betont bzw. der faktisch nicht vorhandene Gegensatz zwischen beiden Interessen(sgruppen) hervorgehoben.
  • Veränderungsschmerz(en), der/(die) >> gehört/gehören dazu. Ohne sie wird die (gesamt)gesellschaftliche Transformation nicht vonstattengehen. Wir Menschen werden diese Welt nicht angstfrei retten. Es ist fair, diese Tatsache aktiv empathisch zu kommunizieren bzw. den Menschen Veränderungsschmerz(en) zuzugestehen.
    Wir Autoren merken dazu an, dass die falschen Versprechungen, Verharmlosungen und Beschönigungen der Befürworter:innen eines ‚Weiter so‘ uns Menschen überhaupt erst in die Position gebracht haben, an der es eben nicht mehr ohne Angst und Veränderungsschmerzen geht.

  • volle Welt, die | leere Welt, die >> (heutige) volle (begrenzte) Welt (mit vielen Menschen, die sehr viele Ressourcen vernutzen) vs. (historisch) leere (nicht an die naturwissenschaftlich existierenden Grenzen stoßende) Welt. Mit diesem Bild kann man das gestrige Denken offenlegen. Das Konzept stammt von Herman Daly.17 Derzeit wird in der Mainstream-Politik weiterhin entlang der gängigen Gedankengebäude des Industriezeitalters des 20. Jahrhunderts argumentiert, als die Welt nicht leer, aber deutlich leerer war als jetzt und die globalen, ökologischen sowie gesellschaftlichen Herausforderungen noch als aufschiebbar galten.
  • Weiter-Sos, die | Weiter-So, die:der >> Achtung: polarisierend. Gemeint sind Menschen, die weiter so machen wollen wie bisher, also alles so lassen wollen, wie es ist, und dafür den Zivilisationskollaps samt Tod der kommenden Generationen bewusst/billigend/faktisch in Kauf nehmen.
  • Wellbeing-Budget, das >> ein Staatshaushalt, der auf das Wohlergehen und die Lebensqualität der Bürger:innen abzielt und dessen Messindikatoren daher auf sozialen und ökologischen Kriterien basieren.


4.2 Weitere hilfreiche Begriffe

Vokabular, das i. d. R. selbsterklärend ist und daher leicht in Diskussionen eingebracht werden kann:

  • 180-Grad-Wende, die >> ergänzend zu ‚Transformation‘, um zu zeigen, dass wir, die Menschen, in die entgegengesetzte Richtung gehen müssen. Michael Ende hat dazu 1994 ein Bild geschaffen: „Auf einem Dampfer, der in die falsche Richtung fährt, kann man nicht sehr weit in die richtige Richtung gehen.“18
  • Ablenkungsgesellschaft, die >>oder auch: Zerstreuungsgesellschaft.

  • Ausbeutung, die vieldimensionale >> beispielsweise regional, global, zeitlich (historisch, gegenwärtig, zukünftig), Ressourcen, Verschmutzung, Kinderarbeit, faktische Sklaven, imperiale Strukturen etc.
  • Backfire-Effekt, der >> meint das sozialpsychologische Phänomen, das durch klare, z. B. wissenschaftliche Beweise die gegenteiligen Glaubensüberzeugungen sogar gestärkt werden können, vgl. z. B. den Umgang der sog. Kreationist:innenb mit der Lehre Darwins in den USA.c
Erläuterungen zu (b) und (c)

b Eine in den Südstaaten der USA entstandene religiöse Auffassung, dass die Welt einschließlich des Menschen buchstäblich so entstanden ist, wie es im 1. Buch Mose beschrieben ist.
c Dazu Craig Silverman (2011): „When your deepest convictions are challenged by contradictory evidence, your beliefs get stronger.“ – auf Deutsch: Wenn Ihre tiefsten Überzeugungen durch gegenteilige Beweise in Frage gestellt werden, werden Ihre Überzeugungen stärker. (In der Psychologie auch ‚backfire effect‘ genannt.) 

  • Beharrungskräfte, die >> sind groß, wohl sehr viel größer, als sich das bspw. Umweltschützer:innen der 1970er Jahre hätten vorstellen können. Systemerhaltungsreflexe von Unternehmen, Shareholder:innen, Verwaltung, Funktionär:innen und Bürger:innen, die sich vor Veränderung fürchten, sind mannigfach vorhanden. Es ist gut, diese im Gespräch zu benennen und als zu überwinden zu kennzeichnen.
  • Beschäftigungstherapie, die >> die Behauptung des Erfordernisses von weiterem Forschungsbedarf bzw. die Forderung nach immer neuen Studien, um etwas zu beweisen, was längst bewiesen oder offensichtlich ist. Gleichfalls den Charakter von Beschäftigungstherapie haben die rhetorischen, teils destruktiven Ablenkungsmanöverd, die allzu oft dazu führen, dass Proaktive jede Debatte mit der Klärung von Grundlagen beginnen und zum eigentlichen Punkt gar nicht vordringen. Wir Autoren behaupten, dass Beschäftigungstherapie oftmals gewollt bzw. eine typische Lobbyist:innen-Strategie ist. Gewöhnen Sie sich an den Gedanken: Die Mehrzahl der Menschen in leitenden Positionen in Politik, Finanzsektor und Ökonomie hat aktuell kein Interesse an Veränderung.
Erläuterungen zu (d)

d Ein weiteres Ablenkungsmanöver besteht darin, eine Frage mit dem Hinweis auf ein weiteres Problem zu kontern, sodass das Gegenüber scheinbar ihr:sein Verständnis ausdrückt und allzu oft unbemerkt zum nächsten, unverfänglicheren Thema überleitet. Weiß man um diesen rhetorischen Trick, kann man ihn benennen und/oder zum eigenen Thema zurückkommen und nachhaken. 

  • Diktatur der Gegenwart, die (auf Kosten der Zukunft / der jungen Generation) >> in Ablehnung des Herbeiredens einer Ökodiktatur19 – auch: Generationen-Imperialismus.
  • Energiesouveränität, die | energiesouverän sein >> als Umschreibung des Zustands einer Gesellschaft ohne Abhängigkeit von weltweiten Energie-Lieferketten. Das schließt für Deutschland auch Atomkraft aus, die urangestützt ist und mit vielschichtigen Abhängigkeiten einhergeht.
  • Entscheider:innen-Generationen, die >> sind die derzeitigen Erwachsenengenerationen. Mit diesem Begriff wird die Verantwortung benannt, die die Erwachsenengenerationen tragen: Jede:r Wahlberechtigte in Deutschland ist darauf aufmerksam zu machen, dass sie:er für das, was gerade passiert, Verantwortung trägt. Und: Demokratie ist weit mehr als alle vier Jahre zur Wahl zu gehen.
  • Erdsystemverantwortung, die >> Diesen Begriff hat Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), geprägt. Der Begriff verkörpert den Gedanken, dass wir, die Erwachsenen, die Erde von unseren Kindern nur geborgt haben. Gern wird dieser Gedanke auch wie folgt formuliert: ‚Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt – sondern von unseren Kindern geliehen.‘e
Erläuterungen zu (e)

e Karl Marx (o. J.) fasste diesen Gedanken in folgende Worte: „Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias (‚gute Familienväter‘) den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.“ 

  • Externalisierung, die | Externalisieren, das >> das Abwälzen von Kosten auf die Natur und den Menschen (hierzulande, global und auf die kommenden Generationen).
  • Gemeinsinn, der >> kommt im Unterschied zum zurzeit oft von Politiker:innen oder Firmenchef:innen beschworenen ‚Zusammenhalt‘ von innen und „‚muss von den Menschen selbst hergestellt und aufgebaut werden‘ […]. Deshalb bedeute Gemeinsinn auch ‚nicht das Gegenteil von Individualismus, sondern von Egoismus‘“, zitiert Ulrich Schnabel die Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann.20 „Gemeinsinn ist daher (ebenso wie Egoismus) regelrecht ansteckend. Und die effektivste Art, ein solches Denken und Verhalten zu stärken, ist es, sich selbst entsprechend zu verhalten und andere davon wissen zu lassen.“21

  • Gemeinwohl, das >> Darum geht es doch, oder? ( ‚Wohlergehen, das‘).
  • Generationengerechtigkeit, die >> ist der so oft geforderten ‚sozialen Gerechtigkeit‘ bzw. der Sozialverträglichkeit entgegenzusetzen. Als einzusetzenden Überbegriff empfehlen wir ‚Klimagerechtigkeit‘ bzw. ‚klimagerecht‘. (Anmerkung: Selbstredend ist soziale Gerechtigkeit ein hohes Gut – nur wird dabei oft ausschließlich an die Gegenwart gedacht, also die Zukunft ausgeblendet. Daher betonen wir Autoren mit diesem Begriffsvorschlag selbige Dimension.)
  • Gier, die >> Das Wort ist derart zutreffend, dass es von den meisten Menschen nicht gern gehört wird. Hierzu hat Mahatma Gandhi festgehalten: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns Gier.“ (Gandhi zugeschrieben.)
  • Kipppunkte, die sozialen >> Analog zu den Kipppunkten im Klimasystem, gibt es auch soziale Kipppunkte. Das sind Momente in dynamischen Systemen, bei denen eine kleine Veränderung eine abrupte, irreversible Änderung eines sozialen Systems auslöst. Diese Änderung kann sowohl positiv als auch negativ sein.22

  • Klimagerechtigkeit, die | klimagerecht >> Überbegriff für Generationen- und soziale Gerechtigkeit; schließt den globalen Süden ein.
  • Klima-Reparationszahlungen, die >> Zahlungen, die im Rahmen der Weltklimakonferenzen unter dem Titel ‚loss and damage‘ diskutiert werden, als Ausgleich für Klimaschäden im globalen Süden, die weit überwiegend vom globalen Norden verursacht wurden/werden. Wir Autoren geben hier zu bedenken, dass der globale Süden nur dann bei der Abmilderung der multiplen Krise mitwirken kann/wird, wenn der globale Norden einen massiven Ausgleich schafft – was nach unserer Einschätzung schon für sich genommen das Ende des neoliberalen Kapitalismus, wie wir ihn aktuell erleben, bedeutet.
  • Kollaps, der | kollabieren, Erdsystemkollaps, Gesellschaftskollaps, Zivilisationskollaps.
  • kollektive Lebenslüge, die (entlarven) >> Gemeint ist das gesamte Gedankengebäude, auf dem die imperiale Lebensweise fußt (s. auch ).

  • Leben in Würde, das >> Die Würde des Menschen bzw. die Menschenwürde sowie die unverbrüchlichen Menschenrechte sind stets hervorzuheben.
  • Lebensgrundbedürfnisse, die >> Herauszustellen sind hier saubere Luft, sauberes Trinkwasser, gesunde Lebensmittel, Kleidung, ein Dach über dem Kopf, Wärme, Sicherheit, Hygiene, Schlaf, Kommunikation, Beziehungen, gesehen werden, Nähe und Sexualität sowie soziale und kulturelle Teilhabe, Gesundheitsversorgung, Bildung, Energie sowie Mobilität.23
  • Lebensgrundlagen, die, existenziellen, zivilisatorischen.

  • Lebensmittel, die >> im Unterschied zu Nahrungsmittel: Lebensmittel = naturnah oder (weitgehend) unverarbeitet, z. B. Rohkost – im Gegensatz zu hochverarbeiteten (Fertig-) Nahrungsmitteln, s. auch ‚Billigstnahrung, die‘.
  • Liebe, die >> Konkurrenz, Wettbewerb, Leistung, Ungleichheit, Patriarchat führen – so zeigt es der Ist-Zustand der Welt – absehbar in den Zivilisationsabsturz. So ‚weit‘ sind wir Menschen nun gekommen: Nur noch die Rückbesinnung auf diesen hohen Wert menschlichen Daseins vermag uns zu helfen. Es ist Zeit für Liebe, Güte und Solidarität.
  • Massenapathie, die >> So kann man den Zustand unserer Gesellschaft bzw. das Verhalten vieler Menschen unserer Gesellschaft diagnostizieren.
  • Menschenrecht, das (unverbrüchliche)| Menschenrechte, die (unverbrüchlichen) >> s. auch ‚Leben in Würde, das‘.
  • Menschenrechtsverletzung(en), die >> Die bei einem ‚Weiter so‘ absehbare Verelendung der Welt kann als maximal mögliche Menschenrechtsverletzung charakterisiert werden.

  • (mehr) Mehrverbrauch, der >> meint die Tatsache, dass wir Menschen, vor allem und in erster Linie wir Bürger:innen der frühindustrialisierten Länder, Jahr für Jahr mehr verbrauchen, vgl. exponentiell zunehmender Verbrauch von Ressourcen etc. Hier kann auch ein Verweis auf die faktisch gelebte (nicht medizinische) ‚Schizophrenie‘ erfolgen, mit der die Menschheit derzeit in Form von ‚Klimamaßnahmen bei gleichzeitig mehr Mehrverbrauch‘ lebt. Harald Welzer hielt dazu im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 fest: „Man stelle sich nur mal vor, der Koalitionsvertrag, den wir bald sehen werden, beginnt mit der Aussage: ‚Wir werden für gesteigerten Verbrauch sorgen.‘ Klingt gleich ganz anders, oder? Dann wäre bestimmt ein anderes Bewusstsein dafür da, was diese wohlklingenden Wachstumsbeschwörungen in Wahrheit immer bedeuten. Vor allem für die Umwelt.“24 – s. auch ‚Steigerungslogik, die‘.
  • Multiplikator:innen, die >> tragen besondere Verantwortung. Dies sind beispielsweise Politiker:innen, Journalist:innen, Künstler:innen, Influencer:innen – alle Menschen, deren Worte und Handlungen öffentlich beachtet und die potenziell als Rollenvorbild angesehen werden.
  • naiv – Adjektiv >> einführen/verwenden für Argumentationen, die auf ein ‚Weiter so‘ hinauslaufen.
  • Neustart, der mentale, auch: ‚kompletter Neustart‘.
  • Ökozid, der >> Begriff zur Beschreibung dessen, was bei einem ‚Weiter so‘ passiert.
  • Pflanzenblindheit, die (engl. ‚plant blindness‘25) >> Der Begriff beschreibt die vollkommene Ahnungslosigkeit vieler heutiger Städter:innen die Flora in ihrer Mitwelt betreffend. Die Wahrnehmung ist zu umschreiben mit „Meine Umgebung ist grün, also ist alles in Ordnung.“ Aber in Wirklichkeit haben die Allermeisten von uns einen extrem geringen Kenntnisstand, weil sie keine naturnahe Sozialisation erhalten haben. Des Weiteren gibt es den psychologischen Effekt der sog. ‚Shifting Baselines‘ (= sich verschiebende Grundannahmen, die wahrgenommene ‚Normalität‘, s. nachfolgend übernächster Spiegelstrich).
  • Schicksalsgemeinschaft, die >> Dieser Begriff lässt sich alternativ für ‚Menschheit‘ nutzen.

  • Shifting Baselines, die >> Der Begriff meint schleichende Veränderungen der Mitwelt, die zu langsam bzw. zu langfristig sind, als dass man sie unmittelbar korrekt einordnen könnte: Jede Generation nimmt die Welt, in die sie geboren wird, als gegeben hin, d. h. als ‚normalen‘ Ist- bzw. Natur-Zustand – unabhängig davon, wie es vor ihrer Zeit aussah. Konkret wird ein:e Fischer:in den Zustand des familiär angestammten Fanggebietes, wie sie:er ihn kennengelernt hat, als gegeben ansehen, obgleich ihre:seine Vorfahren immer wieder erzählen, dass es in der Gegend früher viel mehr, größere und auch andere Fische gegeben hat.26
    Ein weiteres Beispiel: Es wird heute als normal angesehen, dass es so wenige Insekten gibt, dass Windschutzscheiben auch nach langer Autofahrt sauber sind, während man noch vor einigen Jahrzehnten regelmäßig die Frontscheibe säubern musste.
  • Solidarität, die | solidarisch >> Eine Haltung der Verbundenheit, wird in modernen Übersetzungen der Parole der frz. Revolution benutzt: „Freiheit, Gleichheit, Solidarität“.
  • Sonntagsbraten, der >> ein schönes Stichwort, unter dem sich jede:r ältere Mitbürger:in etwas vorstellen kann – zur Verdeutlichung (nicht) angemessener Ernährungsgewohnheiten.
  • Tragödie, die >> spielt sich vor unseren Augen ab: Klimatragödie, Menschentragödie, Menschheitstragödie.

Apropos ‚Tragweitenverständnisdefizit‘:

Sara Schurmann macht in ihrem Buch Klartext Klima (2021, 51f.) vereinfacht „drei Gruppen [aus], deren Wahrnehmung der Krise sich fundamental voneinander unterscheidet“:

  • „Gruppe 1 hält die globale Erwärmung noch immer für eine relativ ferne und abstrakte Bedrohung.“ Die Gruppe stimmt „der Aussage zu, dass Klimaschutz wichtig sei – Wirtschaft, Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze sind in ihren Augen aber wichtiger. Und warum sollte man jetzt Annehmlichkeiten wie Fliegen, Fleisch essen oder schnell Auto fahren aufgeben, wenn es doch die meisten anderen auch nicht tun?“
  • Bürger:innen der Gruppe 2 „machen sich Sorgen wegen der Klimakrise, nehmen oft aber weiterhin an, dass es frühestens ihre Urenkel:innen wirklich schlimm treffen werde. […] Und sie gehen davon aus, dass sich schon jemand darum kümmern wird, wenn es wirklich akut wird.“
  • Die kleine Gruppe 3 „weiß, dass die Klimakrise sehr konkret und akut ihre eigenen Lebensgrundlagen bedroht, und schafft es auch, diesen Gedanken nicht immer wieder sofort zu verdrängen […]. [I]hre Sicht [ist] die einzige […], die von der Wissenschaft getragen wird.“

„Typ 2 und 3 können stundenlang übers Klima sprechen, ohne dass Typ 2 realisiert, dass die Krise schlimmer sein könnte, als er bisher annimmt […]. [Ernste] Aussagen von Typ 3 halten diese Menschen wahlweise für rhetorische Mittel oder Übertreibungen.“

Diese Analyse passt zu Zahlen einer 2021 veröffentlichten Studie, der zufolge 12,2 % der in der Studie befragten Menschen der Gruppe 3 angehören und nicht in „Climate Neverland“ (auf Deutsch etwa: ‚abseits der Klimarealität‘) leben (vgl. Allianz Research 2021).

  • Tragweitenverständnisdefizit, das >> Die meisten Menschen haben ein abstraktes Verständnis davon, dass die ökologischen Krisen bedrohlich sind. Es fehlt aber die konkrete Vorstellung über das Ausmaß (und die Zeitskala), in dem sich die Krisen auf ihr eigene Leben auswirken werden. Dies ist einer der Gründe für die niedrige Priorität, mit die die ökologischen Krisen in Politik und Gesellschaft behandelt werden.

  • Träumer:in, die:der | Träumende, die:der >> proaktive Umdrehung der Wahrnehmung bzw. Perspektive dahingehend, wer Realist:in und wer die:der Träumer:in ist. Anders ausgedrückt: Die Befürwortenden eines ‚Weiter so‘ mahnen oft einen Realitätssinn für das angeblich Machbare an. Tatsächlich ist es genau umgekehrt: ‚Weiter so‘ ist keine Option, sondern Träumerei. Dies kann und soll man in Gesprächen daher auch so benennen.
  • Träumer:innen des ‚Weiter so‘, die | Träumenden des ‚Weiter so‘, die >> polarisierend, doch manchmal muss man Realitätsverweigerung beim Namen nennen.
  • Trippelschritte, die >> eine treffende Bezeichnung bisheriger ökologischer Maßnahmen bzw. Reformpakete.
  • Überleben, das menschenwürdige >> Vom Aussterben der Menschheit im Wortsinne ist bis auf Weiteres nicht auszugehen. Dabei geht es nicht um das ‚pure Überleben‘ der Menschheit, sondern vielmehr um ein Überleben in einem der Menschenwürde und der Menschlichkeit angemessenen Rahmen. Global.
  • unrettbar verloren – Adjektiv >> sind die bisherigen Lebensgewohnheiten.
  • unterkomplex – Adjektiv >> meint die Beschreibung eines Sachverhaltes unter Einschluss zu weniger Aspekte/Sachverhalte.
  • unzureichend – Adjektiv >> Die bisherigen Maßnahmen zu Zivilisationswahrung/ Lebensschutz/Naturbewahrung etc. sind völlig unzureichend. Der Klimaforscher Mojib Latif kommentierte seinerzeit das Klimaschutzgesetz von 2019 wie folgt: „Mit diesen Maßnahmen leisten wir dem Klima viel eher Sterbehilfe.“27
  • Verantwortungsdiffusion, die >> Die globalen Produktions- und Lieferketten sind i. d. R. derart lang, dass eine Zuordnung von Verantwortung oftmals nicht mehr möglich ist. Hersteller von Smartphones sehen sich z. B. (gewollt?) nicht dazu in der Lage anzugeben, woher die seltenen Erden stammen, die sie darin verbauen. Im gleichen Sinne ist auch von der ‚organisierten Verantwortungslosigkeit‘ zu sprechen. Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen verschwinden so in einem Nebel, der von Verbraucher:innen selbst bei gutem Willen nicht durchdrungen werden kann.

  • Verwerfungen, die sozialen >> sind dann zu befürchten, wenn sich die Überlebenskrise der Menschheit weiter auswächst, oder, zeitlich viel früher, wenn sich reiche Menschen aus Lebensschutzmaßnahmen herauskaufen können sollten und z. B. weiter um den Globus fliegen ().

  • verworten – Verb, aus der Psychologie >> Was man nicht verworten, d. h. in Worte fassen, kann, kann man auch nicht erklären, beschreiben und verstehen, geschweige denn emotional begreifen. Dies ist zugleich der Ausgangspunkt dieser Handreichung: Wir Bürger:innen können bislang weder individuell noch in der Gemeinschaft die Überlebenskrise der Menschheit in ausreichendem Maße verworten (). Siehe dazu auch Ludwig Wittgenstein: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“28 Und: „Alles, was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles, was sich aussprechen lässt, lässt sich klar aussprechen.“29
  • Vollkostenrechnung, die >> Einbezug sämtlicher Kosten des gesamten Produkt-Lebenszyklus unter Einschluss der Ressourcengewinnung, ggf. globaler Transporte, der Nutzung und der finalen Beseitigung sowie weiterer ‚externer Kosten‘.
  • Wachstum, das >> Falls dieser Begriff von Ihnen verwendet oder im Gespräch von Dritten eingebracht wird, empfehlen wir, den Begriff stets aktiv in den Zusammenhang mit Krebszellen zu setzen – das einzige Phänomen unbegrenzten Wachstums. Eckart von Hirschhausen merkt dazu an: „Ich halte die Idee für grundfalsch, dass wir ständiges Wachstum brauchen. Im Körper heißt so was Krebs.“30 ( ‚(mehr) Mehrverbrauch, der‘ und ‚Steigerungslogik, die‘)
  • weltfremd – Adjektiv >> zur Bezeichnung von ‚Weiter so‘-Träumereien/-Träumenden ( Träumer:in, die:der | ‚Träumende‘, die:der).
  • Weltkrise, die chronische >> Mittlerweile kommen bspw. die Bürger:innen und Politiker:innen gar nicht mehr aus dem Krisenmodus heraus: Klimakrise und sechstes Massenaussterben sind nunmehr im Alltag spürbar. Extremwetter, Konflikte, Populismus und Verteilungskämpfe nehmen deutlich zu.
  • Weltzerstörer:in, die:der | weltzerstörerisch >> polarisierend: ein maximales Schimpfwort für eine Person, die, bzw. ein Unternehmen, das weiterhin z. B. in fossile Energien investiert.
  • Wohlstandsgerümpel, das >> all die Gegenstände, Spontankäufe und Produkte, die nach zwei Wochen in der Ecke stehen oder unbenutzt auf dem Dachboden Staub ansetzen – um dann beim nächsten Umzug originalverpackt entsorgt zu werden. Wohlstandsgerümpel kostet die:den Konsumierende:n zweimal Zeit, Geld und Energie: beim Kauf und beim Wegschmeißen.
  • Zivilisationsabsturz, der, Zivilisationsverlust, Zivilisationskollaps.
  • Zukunftsermöglichung, die >> Ein ‚Weiter so‘ ist eine Absage an eine Zukunft der menschlichen Zivilisation. Zukunft ist nur noch durch aktive Gestaltung zu ermöglichen. Bleibt die Menschheit passiv, gibt es keine Zukunft auf zivilisatorischer Basis. Das ist die Situation, in der sich die Menschheit befindet.
  • Zukunftsverweiger:in, die:der | Realitätsverweiger:in, die:der >> polarisierend. Doch es gibt Momente, in denen klare Worte erforderlich sind.

Weitere Adjektive, die hilfreich sein können:
endgültig, eskalierend, existenziell, final, gravierend, irreversibel, massiv, smart, unwiderruflich.


4.3 Wording, das alte Begriffe ersetzt

Ein neues Wording, das veraltete Begriffe ersetzt. Ein erweiterndes Begriffsfeld. Neues Vokabular, das konservative, verwässerte Begriffe vermeidet oder die Dringlichkeit/ Dimension der Herausforderung betont:

  • Abmilderung der Erderhitzung, die >> statt ‚Klimaschutz‘ – in Anlehnung an engl. climate change mitigation.
  • antisozial – Adjektiv>> statt ‚asozial‘. Letzteres ist ein zu vermeidender nationalsozialistisch besetzter Begriff, der zu jener Zeit ein Rechtsbegriff gewesen ist. Auch wurden Menschen jüdischen Glaubens damals als ‚asoziale Elemente‘ bezeichnet. In der DDR wiederum sah das Strafgesetzbuch bis zu zwei Jahre Haft für ‚asoziales Verhalten‘ vor.31
  • Beschäftigungsverhältnis, das | Beschäftigung, die | Aufgabe, die | Herausforderung, die >> statt Arbeitsplatz/Arbeitsplätze/Job.

  • CO2-intensive Lebensgewohnheiten, die>> statt Lebensstil, Lebensstandard. Und: Eine Gewohnheit kann auch schlecht sein.
  • Daseinsvorsorge, die angstfreie >> statt Hartz IV, Bürgergeld und Armutsfalle.
  • ‚Denkmuster ändern‘ >> statt ‚Wir brauchen ein neues Denken‘, welches eine Nähe zu ‚Denkverbot‘ und George Orwells 1984 aufweist, was weder gemeint noch gewünscht ist. „Wir Menschen der frühindustrialisierten Staaten müssen Denkmuster ändern“ ist unverfänglicher als ‚das Denken ändern‘ oder ‚anders denken‘. Hinweis zu obigem Vorschlag: das ‚Wir‘ betonen bzw. die Konstruktion ‚viele von uns‘ verwenden (s. dazu auch ).

  • Durchfahrtsbeschränkung, die >> statt Fahrverbot, Fahrverbotszone. ‚Durchfahrtsbeschränkung‘ ist sachlich wesentlich zutreffender, da es i. d. R. lediglich darum geht, dass Autofahrende bestimmter Fahrzeugklassen einzelne Straßen oder Quartiere nicht befahren dürfen, mit Ausnahme der Anlieger:innen. Ein Fahrverbot wird hingegen einer Person erteilt, der der Führerschein entzogen wurde.
  • Energieträger, die fossilen >> statt Öl, Kohle, (Erd-)Gas, LNG (liquified natural gas = Methan = Erdgas).
  • Erderhitzung, die [mit immer mehr Extremwetter] >> statt ‚Klimawandel‘ oder ‚Erderwärmung‘. ‚Wandel‘ suggeriert Langsamkeit und Berechenbarkeit. ‚Erwärmung‘ klingt nach ‚warmen Sommern‘.
  • Erdgas, das verflüssigte >> statt LNG = liquified natural gas = Methan.
  • Extremwetter, das >> zusammenfassend statt ‚Schneesturm‘, ‚Sommerhitze‘, ‚Starkregenereignis‘ o. Ä. zur Betonung dessen, dass alle diese Wetterphänomene heute stets generell unter Einfluss der Erderhitzung stehen. Vgl. dazu ‚Attribution Science‘, auf Deutsch: ‚Zuordnungsforschung‘, u. a. von Friederike Otto (2019): „Jedes Wettergeschehen – ein Hurrikan genauso wie ein leichter Sommerregen – findet heute unter anderen Umweltbedingungen statt als noch vor 250 Jahren.“32
  • Fauna, die und Flora, die >> statt Umwelt. Tierwelt (Fauna) und Pflanzenwelt (Flora) bilden unsere Mitwelt und wir Menschen zählen biologisch zur Tierwelt.
  • Fortschritt, der gerichtete >> statt Innovation. Begründung: Nicht jede Innovation ist ein Fortschritt. Fortschritt ist zudem heute angesichts der Überlebenskrise alles Lebendigen das, was ebendiesem Überleben in Form eines menschenwürdigen Daseins dient – und so gesehen gerichteter Fortschritt. Betrachtet man die Produkte/Dinge, die bislang als Fortschritt galten, sind viele von ihnen lediglich Innovationen.
  • Freiheitsbegriff, der = unser Begriff von Freiheit >> statt ‚Freiheit‘, wie sie die konservativen Parteien für sich und ihre Klientel reklamieren. Kommt das Gespräch auf ‚Freiheit‘, ist nach unserem Dafürhalten der Freiheitsbegriff sofort und aktiv ins richtige Licht zu rücken. Der Begriff ‚Freiheit‘ wird nach Ansicht der Autoren mittlerweile meistens synonym bzw. pervertiert für ein egomanisches Selbstverständnis und das Recht des Stärkeren bzw. Rücksichtslosigkeit verwendet, insbesondere auch als das Recht auf unbeschränkten Konsum ohne Rücksicht auf die Auswirkungen. Der Freiheitsbegriff, wie er jahrhundertelang verstanden wurde, stellt klar, dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die Rechte anderer beeinträchtigt werden. Dies wurde schon 1789 in der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte niedergeschrieben33 und findet sich in etwa auch so im sog. ‚kategorischen Imperativ‘ von Immanuel Kant.34 Auch das deutsche Grundgesetz definiert in Artikel 2 den Begriff ‚Freiheit‘ in diesem Sinne: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt…“
  • Genügsamkeit, die | genügsam sein | unterlassen | aufhören | weglassen >> statt Verzicht/verzichten = ein ‚Kampfbegriff‘ der Verfechter:innen des Status quo. Es ist festzuhalten, dass man nur auf das verzichten kann, was einer:einem zusteht. Die Menschen in Deutschland verbrauchen seit 1979 jährlich nahezu gleichbleibend die Errungenschaften von drei Erden35, sodass wir Autoren davon ausgehen, dass ‚Verzicht‘ in den wenigsten Fällen die korrekte Vokabel ist.
  • Grenze, die >> statt Ziel. ‚Grenze‘ ruft die Assoziation hervor, dass sie nicht überschritten werden kann/darf/soll. 1,5 Grad ist in diesem Sinne kein zu erreichendes Ziel, sondern eine nicht zu überschreitende Grenze.
  • Herausforderung(en), die >> statt Problem(e). Nicht immer ist, wie in dieser Handreichung erkennbar, der Begriff ‚Problem‘ durch ‚Herausforderung‘ sinnvoll zu ersetzen. Wo es möglich ist, empfehlen wir Autoren, den Begriff ‚Herausforderung‘ zu benutzen, dieser wirkt motivierender.
  • ‚im System liegend‘ – Adjektiv >> statt ‚systemisch‘. Begründung: Der abstrakte Begriff ‚systemisch‘ ist vielen Mitbürger:innen nicht geläufig und auch nicht ohne Weiteres verständlich. Das ist schade, bezieht doch systemisches Denken die Dynamik von Selbstorganisationsprozessen in die Überlegungen ein: Bei komplexen Systemen sind die Folgen der Maßnahmen im Vorfeld i. d. R. nicht übersehbar, sodass es zu unerwarteten ‚Nebenwirkungen‘ kommen kann.
  • Klimaflüchtende, Klimageflüchtete >> statt (Klima-)Flüchtlinge. Die Endsilbe ‚-ling‘ besitzt im Deutschen eine verniedlichende Bedeutung. Die hier vorgeschlagenen Begriffe betonen das aktive Moment der notwendigen Flucht.

  • Konkurrenzgesellschaft, die >> statt Wohlstands-, Wettbewerbs- und Leistungsgesellschaft, s. auch Precht zum Thema ‚Leistungsgesellschaft‘.

  • Konsumismus, der >> statt Konsum, Shopping; auch schön zu verwenden: Prestigekonsum, Statuskonsum.
  • Lebensgewohnheiten, die >> statt Lebensstil, eher nicht: Lebensweise, es sei denn im Zusammenhang mit ‚imperialer Lebensweise‘, s. auch ‚CO2-intensive Lebensgewohnheiten, die‘ sowie ‚imperiale Lebensweise, die‘.

  • Lebensschutz, der >> statt Klimaschutz bzw. Umweltschutz. Hinweis: Es reicht nicht, nur die Menschen zu schützen. Es bedarf auch des Schutzes von Flora und Fauna.
  • Leitplanken, die >> statt Verbote/verbieten. Auch: regulieren, deckeln, limitieren, beschränken, Ordnungsrecht – und gern stets auf die profitierende gesellschaftliche Mehrheit hinweisen wie bei Tempobeschränkungen ( ‚Durchfahrtsbeschränkung, die‘).
  • Massenaussterben, sechstes [von Pflanzen und Tieren] >> statt Biodiversitätsverlust/ Artensterben.
  • (mehr) Mehrverbrauch, der >> statt ‚Wachstum‘: Letzteres ist verbranntes ‚Weiter so‘-Vokabular.
  • Menschheitskatastrophe, die >> statt Klima-, Natur- oder Umweltkatastrophe.
  • Menschheitsschutz, Menschenschutz >> statt Klima- oder Umweltschutz. Hinweis: Es reicht nicht, nur die Menschen zu schützen ( ‚Lebensschutz, der‘, ‚ökologische Katastrophe, die‘ sowie Ausführungen zum Ahrtal).

  • Mitwelt, die >> statt Umwelt. Diese Begriffsersetzung funktioniert leider in zusammengesetzten Wörtern wie ‚Umweltschutz‘ nur bedingt – doch wenn man für sich genommen von der Mitwelt statt Umwelt spricht, stärkt dies das Verständnis, dass wir Menschen nicht getrennt von der ‚Um-uns-herum-befindlichen-Welt‘, sondern vielmehr Teil der Natur sind ( ‚multiple Krise der Mitwelt, die‘ sowie ‚Naturzerstörung, die‘).
  • Mobilität, die >> statt Verkehr. Smarte/intelligente Mobilität als Gegensatz zu SUV, motorisiertem Individualverkehr (MIV) & Co. Weitere Anregung: aktive Mobilität vs. passive Mobilität sowie Fortbewegungsmittel statt Verkehrsmittel.

  • multiple Krise der Mitwelt, die >> statt Umweltkrise‚ Klimawandel, Klimakrise. Schließt das sechste Massenaussterben ein.
    • Hinweis zur Problematik des Begriffs ‚Krise‘: Unter einer Krise versteht man laut Duden den kritischen Wendepunkt in einem Krankheitsverlauf, bzw. eine schwierige Situation, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt. Dies folgt der Bedeutung des lateinischen Wortes ‚crisis‘, das mit ‚Entscheidung‘ oder ‚entscheidende Wendung‘ übersetzt wird.
      Streng genommen ist das Wort ‚Krise‘ also nicht zur Anwendung auf die Klimakrise oder das sechste Massenaussterben geeignet, da bei beiden die Zerstörung stetig wächst, ein Wendepunkt also nicht in Sicht ist.
    • Antonio Gramsci: „Die Krise besteht gerade in der Tatsache, dass das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann: In diesem Interregnum kommt es zu den unterschiedlichsten Krankheitserscheinungen.“36

  • Naturzerstörung, die >> statt Umweltverschmutzung bzw. Umweltzerstörung. Der Mensch und auch die Stadt sind Teil der Natur: Den eigenen Garten komplett zum Steingarten zu machen oder schlicht das gesamte Grundstück unter Kies zu begraben, ist folglich Naturzerstörung.
  • Null-Emissionen, die >> Reduzierung der Emissionen auf null, Emissionsfreiheit >> statt ‚Klimaneutralität‘ bzw. ‚Netto-Null‘.
    • Null-Emissionen bedeutet, dass tatsächlich keine Treibhausgase emittiert werden.
    • Netto-Null bedeutet, dass die Emissionen (um einen häufig nicht genau genannten Anteil) reduziert und die übrigbleibenden Emissionen rechnerisch durch Zertifikate kompensiert werden.
    • Wie die Qualität der Kompensationen aussieht, ist unklar: Wer garantiert, dass die Kompensationen zusätzlich, dauerhaft und fair sind (d. h., dass z. B. keine Indigenen/ Landwirt:innen von ihrem Land vertrieben werden)?

      Wichtig ist, was eingerechnet und was herausgerechnet ist. Sonst kommt es zu solch abstrusen Behauptungen wie der, der Hamburger Flughafen sei klimaneutral.37 Auch fantasievoll: Eine neue Ölquelle in Norwegen, wo noch jahrzehntelang gefördert werden soll, produziert nach Angaben des Unternehmens das Öl kohlenstoffneutral.38

  • ökologische Katastrophe, die, menschengemachte, anthropogene >> statt ‚Naturkatastrophe‘, ‚Umweltkatastrophe‘. Beispiel: ‚Ahrtal‘ ist entgegen vielen journalistischen Beiträgen keine Naturkatastrophe. Es handelt sich vielmehr um eine menschenverursachte ökologische Katastrophe.
  • ökologische Krise, die eskalierende >> statt Klimakrise, fasst Klimakrise und Massenaussterben in einem Wort zusammen, s. auch ‚multiple Krise der Mitwelt, die‘.
  • Ökonomie, die >> statt ‚Wirtschaft‘: Letzterer Begriff wird allgemein mit der kapitalistischen Variante von Ökonomie gleichgesetzt. Der Begriff ‚Ökonomie‘ ist allgemeiner gehalten und zudem weniger negativ vorgeprägt bzw. weniger emotional besetzt: Menschen betreiben Ökonomie, um arbeitsteilig mehr und bessere Erzeugnisse herzustellen, als sie es als Individuum könnten.
    Aristoteles unterscheidet zwischen der Ökonomik, d. h. der natürlichen Erwerbskunst bzw. Hausverwaltungskunst und der Chrematistik, d. h. der widernatürlichen Erwerbskunst bzw. Kunst des Gelderwerbs.39
  • Schwurbler:innen, die >> statt ‚Querdenker:innen‘.

  • Staaten/Nationen, die frühindustrialisierten >> statt Industriestaaten/-nationen. Betont und stellt richtig, dass der größte Anteil der CO2-Emissionen etc. aufsummiert seit Beginn der Industrialisierung von den USA und den europäischen Staaten stammt. Weitgehend synonym kann hier auch der Begriff ‚globaler Norden‘ zur Unterscheidung vom sog. ‚globalen Süden‘ verwendet werden, s. auch ‚Süden, der globale‘.
  • Steigerungslogik, die >> statt Wachstum. Steigerungslogikist diejenige Logik, die der aktuellen Ausformung des Kapitalismus mit seinem ‚Wachstumszwang‘ innewohnt. Wir Autoren empfehlen, alle mit ‚Wachstum‘ verbundenen Begriffe wie ‚grünes Wachstum‘ und ‚Wirtschaftswachstum‘ zu vermeiden. Das gilt auch für ‚qualitatives Wachstum‘, denn dieser Begriff suggeriert, dass ein ‚Wachstum‘ irgendwie immer noch möglich (oder gar sinnvoll) sei, s. auch ‚(mehr) Mehrverbrauch, der‘ und ‚grünes Wachstum, das‘.
  • Steuerbeitrag, der >> statt ‚Steuerlast‘.

  • Süden, der globale >> statt Entwicklungsländer. Letzterer Begriff ist diskriminierend. Ebenfalls nicht mehr zu verwenden ist der Begriff ‚Dritte Welt‘, der nach der Auflösung der Sowjetunion keinen Sinn mehr ergibt.
  • Tempobeschränkung, die >> statt Tempolimit ().

  • Tierindustrie, die >> statt Massentierhaltung.
  • Tierproteine, die >> zusammenfassend statt Fleisch, Kotelett, Steak, Milch, Wurst, Fisch etc. ( ‚Omnivor:in, die:der‘).
  • Überfluss, der >> statt Wohlstand ( ‚Konsumismus, der‘).
  • Überlebenskrise der Menschheit, die >> statt ‚Klimakrise‘.
  • Verschwörungserzählungen, die | Verschwörungsmythen, die >> statt Verschwörungstheorie/-theoretiker:innen – oder abwertend: ‚Schwurbler:innen-Storys‘.

  • Wohlergehen, das >> statt Wohlstand, Lebensstandard, Lebensstil etc. ( ‚Gemeinwohl, das‘).
  • Zeitwohlstand und Wohlergehen >> statt ‚(materieller) Wohlstand‘.
  • Zufriedenheit, die | zufrieden >> statt Glück | glücklich. Glück ist flüchtig und stets nur für einen kurzen Zeitraum möglich. Und doch wird in Umfragen regelmäßig nach dem Maß des Glücks gefragt. Viele Buchratgeber zielen auf das Glück ab. Wir Autoren gehen davon aus, dass Glück allein keinen Sinn ergibt und dass ein ‚gutes Leben‘ ein Leben in Zufriedenheit meint, einem Zustand inneren Seelenfriedens. >> Vgl. Buch und Buchtitel Glück allein macht keinen Sinn von Emily Esfahani Smith aus dem Jahr 2018.

  • zukunftsfähig – Adjektiv>> statt ‚nachhaltig‘, welches meist im Sinne nachhaltiger Entwicklung verwendet wird.f Letzteres ist lediglich eine weitere Umschreibung von Wachstum. Der Begriff ‚zukunftsfähig‘ ersetzt auch das diffuse Adjektiv ‚enkeltauglich‘, der je nachdem, wie Menschen aktuell im Leben verortet sind, sehr unterschiedlich interpretiert wird. Zudem suggeriert ‚Enkeltauglichkeit‘, die Menschheit hätte noch Zeit. ‚Zukunftsfähig‘ wird von uns gemäß dem sog. ‚Sieben-Generationen-Prinzip‘g definiert: Zukunftsfähig ist nur, was den nächsten sieben Generationen nützt bzw. nicht schadet. Ergänzend vgl. auch: ‚planetenkonform‘ als Adjektiv ( ‚terran‘). Dabei gilt: Nur ein ‚one planet thinking‘ ist zukunftsfähig. Der Ökonom Niko Paech spricht statt von ‚zukunftsfähig‘ auch von ‚überlebensfähig‘.40
Erläuterungen zu (f) und (g)

f Der Brundtland-Bericht von 1987 definiert ‚nachhaltige Entwicklung‘ wie folgt: „Nachhaltig ist eine Entwicklung, ‚die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen‘.“ ( in Top 25 ‚nachhaltig‘).
g Vgl. auch das den Irokesen zugeschriebene ‚Sieben-Generationen-Prinzip‘. In deren Verfassung (Constitution o. J.) lässt sich dieses Prinzip allerdings nicht finden. Dort ist nur von einer Verantwortung für mehrere Generationen die Rede. 

  • Zukunftsfähigkeit, die >> statt ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚Enkeltauglichkeit‘. Hier gern auch den Begriff ‚Permanenz echten menschlichen Lebens‘ einbringen: ‚Permanenz‘ meint die dauerhafte Möglichkeit für viele Generationen von Menschen, ein gutes Leben zu führen; Ökologischer Imperativ. nach Hans Jonas, 1979. Anders ausgedrückt: Es geht um das dauerhafte Aufrechterhalten, die dauerhafte Aufrechterhaltbarkeit des menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens auf diesem Planeten.
  • Zukunftsfähigkeitsvorbehalt, der >> statt ‚Klimavorbehalt‘. Letzterer Begriff unterschlägt das sechste Massenaussterben und übersieht, dass wir Menschen eine vornehmlich gesellschaftliche Herausforderung zu bestehen haben. Dieser Vorbehalt ist bei der politischen Planung der Zukunft ein vetoartiges Instrument.
  • Zukunftsaktivist:in, die:der >> statt ‚Klimaaktivist:in‘. Der Begriff schließt gesellschaftliche Herausforderungen sowie das sechste Massenaussterben ein, ist also umfassender.

  • Zuversicht, die | zuversichtlich >> statt ‚Optimismus | optimistisch. Vgl. Parabel von den drei Fröschen, die in ein Topf Milch fallen. Daraus ergibt sich eine schöne Unterscheidung zwischen Pessimismus, Optimismus und Zuversicht: Die:der Optimist:in macht nichts, weil sie:er glaubt gerettet zu werden. Die:Der Pessimist:in legt ‚die Hände in den Schoß‘, weil sie:er eine Rettung als zu unwahrscheinlich ansieht. Die:Der Zuversichtliche denkt, es bleibt ihm in ihrer:seiner bedrängten Situation nichts anderes, als aktiv zu werden und zumindest mit Chance ihre:seine Lage zu verbessern.42 ( zum Begriff ‚Possibilist:in, die:der | Possibilismus, der‘).


4.4 Zu vermeidendes Wording (Top 25)

Nachfolgend nochmals explizit zusammengefasst als Top 25: zu meidende, inhaltsleere, verbrauchte, verwässerte, beliebig gewordene Containerbegriffe, Worthülsen bzw. Reizbegriffe – von den Autoren subjektiv gemäß der Dringlichkeit des Vermeidens sortiert:

  1. Wachstum, grünes Wachstum, Wirtschaftswachstum. Auch ‚qualitatives Wachstum‘ meiden, denn es suggeriert, dass BIP-Wachstum irgendwie weiterhin immer noch möglich sei >> lieber von der Steigerungslogik oder ‚(mehr) Mehrverbrauch‘ sprechen.
  1. Nachhaltigkeit, nachhaltig >> besser von Zukunftsfähigkeit/zukunftsfähig sprechen.
  1. Sozialverträglichkeit, sozialverträglich >> lieber hervorheben: Generationen- und Klimagerechtigkeit.
  1. Klimaschutz >> Wir Menschen haben nicht das Klima zu schützen, sondern uns selbst sowie Tiere und Pflanzen; vgl. Brandschutz, Wasserschutz, Infektionsschutz: Hier geht es stets darum, vor etwas zu schützen. Im Englischen ist ‚climate protection‘ ebenfalls nicht gebräuchlich, sondern eher ‚climate action‘ oder ‚climate change mitigation‘.
  1. Klimaneutralität >> lieber: Null-Emissionen, Emissionsfreiheit, emissionsfrei.
  1. Ökodiktatur >> meiden, jedoch ggf. vom Gegenüber aufgreifen und Folgendes herausstellen: Die Ökodiktatur kommt vielmehr dann, wenn wir Menschen nicht handeln. Alternativ folgende Bedeutung nutzen: Ökodiktatur = eine Diktatur der Ökonomie, also Zustand jetzt. Oder: Ökodiktatur = die Diktatur der Gegenwart über die Zukunft.42
  1. Sozial-ökologische Transformation (SÖT) >> Durch die Hervorhebung von zwei Bereichen wird tendenziell ein Keil zwischen die (Vertreter:innen der) beiden Aspekte getrieben: Wir Autoren bevorzugen daher den vereinenden Begriff ‚(gesamt)gesellschaftliche Transformation‘.
  1. Verbote, verboten, verbieten >> besser: Leitplanken, ordnungsrecht(lich), regulieren, beschränken, limitieren, deckeln.
  1. Überbevölkerung, Bevölkerungsexplosion >> lieber weniger wertend von (der Entwicklung der) ‚Weltbevölkerung‘ sprechen.h
Erläuterungen zu (h)

h Die Zunahme der Weltbevölkerung flacht gemäß UN-Prognosen derzeit jährlich immer weiter ab, bis sie im Jahre 2100 – vorbehaltlich zwischenzeitlich auftretender Katastrophen – auf dem Niveau von etwa 10 bis 11 Milliarden Menschen verharrt (vgl. Rosling 2018, 106). Hier kann man also nicht von einer ‚Explosion‘ sprechen. Inwieweit 10 bis 11 Mrd. Menschen auf der Erde leben können, ist nach Ansicht der Autoren vor allem eine Frage der Klima- und Generationengerechtigkeit, vgl. klimagerechtigkeit.handbuch-klimakrise.de

  1. Dritte Welt, Entwicklungsländer >> besser: (Menschen im) globalen Süden.
  1. Wirtschaft, Wirtschaftskraft, Wirtschaftsordnung, die Wirtschaftsweisen >> bevorzugt ‚Ökonomie‘ bzw. ‚ökonomisch‘ verwenden.
  1. Arbeitsplatz, Job >> lieber: Beschäftigungsverhältnis, Beschäftigung, Aufgabe.
  1. Freiheit (im Sinne von ‚Rücksichtslosigkeit‘) >> besser von vergänglichen Privilegien und Gewohnheitsrechten (als Illusionen) sprechen.
  1. Problem >> Herausforderung.
  1. Kapitalismus, Sozialismus, Kommunismus, Planwirtschaft >> äußerst unscharfe Begriffe, die oft emotionale Gegenreaktionen hervorrufen.
  1. Innovation >> nicht jede Innovation ist Fortschritt.
  1. Verkehr >> besser: Mobilität.
  1. (Klima-)Flüchtlinge >> lieber: (Klima-)Geflüchtete/(Klima-)Flüchtende.
  1. Energiearmut >> besser: Energieknappheit. Uns stehen energieknappe Zeiten bevor.
  1. sozial Schwächere >> lieber: ‚ökonomisch Schwächere‘. Der erstgenannte Begriff entpuppt sich bei näherem Hinsehen als gemein, daher halten wir Autoren dazu Folgendes fest: Nur weil jemand ökonomisch stark verortet ist, ist sie:er noch lange nicht sozial.
  1. Enkeltauglichkeit, enkeltauglich >> lieber betonen, dass jetzt ‚die Hütte brennt‘. Es geht jetzt um unsere Lebensgrundlagen – auch um unsere eigenen. Und: Je nachdem, wo die Menschen gerade in ihrem Leben stehen, ergibt sich eine sehr unterschiedlich gefühlte Dramatik der Situation. Für manche sind Enkel:innen (gefühlt) weit weg, andere Kindeskinder sind vielleicht schon 40 Jahre alt.
  1. bezahlbar >> lieber hervorheben, dass die Natur nicht mit sich verhandeln lässt und wir Menschen uns entweder anpassen müssen oder weichen werden: Hinsichtlich der multiplen Krise der Mitwelt ist die Diskussion darüber, ob ihre Abmilderung finanzierbar ist, schlicht zynisch. Das ‚Bezahlbar-Argument‘ wird häufig als (implizites) Argument für die Fortführung von naturzerstörenden Subventionen verwendet.
  1. Übergangstechnologie, Brückentechnologie >> Für so etwas haben wir Menschen weder genügend Zeit noch Energie noch Ressourcen.
  1. Nachhaltige Entwicklung >> ist lediglich eine weitere Umschreibung von Wachstum. Der Begriff beruht auf dem Gedankengebäude der Brundtland-Kommission aus dem Jahr 1987.43 Hier wurde rund 15 Jahre nach dem Erscheinen des 1972er-Berichts Grenzen des Wachstums des Club of Rome weiteres Wachstum als selbstverständlich angesehen.
  1. Markt, der | Märkte, die >> ein sagenumwobenes Wesen, das nicht gereizt werden darf, das immer recht hat und dem ggf. Opfer gebracht werden müssen. So gab es im Jahr 2022 in Europa über 100.000 Hitzetote44 (die keinen Skandal wert sind). Der Begriff ‚Markt‘ verschleiert, dass er für eine absolut antisoziale Ordnung steht: Werden von einem Lebensmittel in einem Jahr kleinere Mengen angeboten, steigt der Preis. Dies führt in kaufkraftschwachen Staaten, die von Lebensmittelimporten abhängen, zu Hungerkrisen.

Zwei Hinweise:

  • Vermischen Sie die Armen hierzulande bitte niemals argumentativ in einem Satz mit den Armen des globalen Südens.
  • Vermeiden Sie bitte Formulierungen mit ‚nicht‘, ‚kein‘, ‚Un-/un-‘ oder ‚Anti-/anti-‘, da der Hauptbegriff das Framing startet ().

Endnoten:

1 Vgl. Duve 2011, 8. | 2 Vgl. Chomsky 2021. | 3 Herzog 1998; vgl. Elsässer et al. 2017. | 4 Ahmed 2022. | 5 Vgl. Brand/Wissen 2017. | 6 HDKV o. J. | 7 Vgl. Persson et al. 2022. | 8 Neubauer/Reemtsma 2022, 157. | 9 Göpel 2022. | 10 Vgl. wikipedia 2022a. | 11 Zit. in Neubauer/Repenning 2019, 24. | 12 Neubauer/Repenning 2019, 25-26. | 13 Neubauer/Repenning 2019, 144. | 14 BUND o. J. | 15 Göpel 2020 a, 127. | 16 Hickel 2020, Übersetzung der Autoren. | 17 Vgl. Steiner 2009. | 18 Michael Ende 1994, 276. | 19 Vgl. Welzer 2016, 131. | 20 Assmann zit. in Schnabel 2022, 57. | 21 Schnabel 2022, 84. | 22 Vgl. Vielhaus 2022, Otto et al. 2020. | 23 Vgl. Pendzich 2022. | 24 Welzer 2021a. | 25 ‚Plant blindness‘ nach Wandersee/Schussler 1999. | 26 Vgl. Pauly 1969. | 27 Latif zit. in Welt 2019. | 28 Wittgenstein Satz 5.6. | 29 Wittgenstein Satz 4.116. | 30 Hirschhausen 2021b. | 31 Vgl. Völk/Salzburger 2021. | 32 Otto 2019, 10-11. | 33 Vgl. wikipedia 2022b. | 34 Vgl. Krieghofer 2021. | 35 Vgl. Global Footprint Network (o. J.). | 36 Gramsci o. J., 354f. | 37 Vgl. Knödler 2022. | 38 Vgl. ynfpublisher 2021. | 39 Vgl. wikipedia 2021. | 40 Vgl. z. B. taz 2019. | 41 Schnabel 2018, 16f. | 42 Vgl. Welzer 2016, 131. | 43 Vgl. Brundtland-Bericht 1987. | 44 Rahmstorf 2022.


Nächster Abschnitt: