5. Proaktives Wording in der Praxis

Nachfolgend listen wir Autoren stichpunktartig eine Reihe von hilfreichen Fakten und Argumentationen auf, unterteilt in folgende Abschnitte:


5.1 Konkretes Wording zur Argumentation in Diskussionen

Manche Sätze und Argumentationsketten sind in Diskussionen immer wieder nützlich. Es folgt eine Aufstellung in loser Folge:

  • „Es ist eine globale ökologische Katastrophe, bestehend aus dem sechsten Massenaussterben und der Klimakatastrophe sowie weltweiten sozialen Verwerfungen.“
  • „Die Reduzierung unserer Gesellschaftskrise auf die ‚Klimakrise‘ ist Unsinn und vor allem viel zu klein gedacht. Wir reden hier über eine Überlebenskrise der Menschheit.“
  • „Wir müssen von drei Erden runter“ – „Umgangssprachlich ausgedrückt: Wir müssen auf 1/3 des bisherigen Konsums runter – und zwar vor allem diejenigen von uns, die besonders viel und besonders CO2-intensiv konsumieren, also die Vermögenden/Reichen.“
  • „[…] unter der Voraussetzung, dass wir die Zivilisation / unsere Lebensgrundlagen erhalten/bewahren wollen.“ Diesen Zusatz setzen wir Autoren mittlerweile regelmäßig hinter unsere Aussagen. Das ist sehr wirkungsvoll, denn wer möchte schon im Gespräch zugeben, dass ihr:ihm milliardenfaches Leid ‚schnuppe‘ ist.

  • „Das Geld (für die gesamtgesellschaftliche Transformation) hat von den reichen Mitbürger:innen zu kommen – die ihren Reichtum i. d. R. CO2-intensiv erwirtschaftet und von globaler Ungerechtigkeit profitiert haben.“
  • „Wir können uns die Reichen auch aufgrund ihrer CO2-intensiven Lebensgewohnheiten nicht mehr leisten.“
  • „Niemand darf sich (aus den ökologischen Grenzen) herauskaufen dürfen.“
  • „Die Ökodiktatur kommt, wenn wir nicht handeln und weiter so machen wie bisher und auf diese Weise die ökologischen Belastungsgrenzen sprengen.“
  • Wir leben in einer „Diktatur der Gegenwart auf Kosten der Zukunft.“ (Welzer 2016, 131)
  • „Backcasting bedeutet, die Sache vom Ziel her zu denken, dann verbindliche Schritte festzulegen und der Zielerreichung höchste Priorität einzuräumen Bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist ggf. eine Zielanpassung erforderlich.“
  • „Alle Maßnahmen, Gesetze etc. sind unter ‚Zukunftsfähigkeitsvorbehalt‘ zu stellen.“ (nicht: ‚Klimavorbehalt‘)
  • „Wir leben in einer begrenzten Welt (in der wir nur das verteilen können, was da ist).“
  • „Wir leben in einer vollen Welt.“ >> Daher sind die Herausforderungen nicht mehr mit den Ideen und Mitteln der leeren Welt zu bewältigen ( ‚volle Welt, die | leere Welt, die‘).
  • „Wie wollen wir zusammen und gemeinsam leben in einer begrenzten Welt?“
  • „Unsere Ressourcen sind begrenzt, unsere Energie ist begrenzt, unsere Möglichkeiten, zu verschmutzen, haben wir ausgeschöpft, wir beuten nicht nur Menschen in unserer eigenen Gesellschaft aus, sondern vor allem und systematisch die Menschen des globalen Südens, und wir beuten diejenigen Menschen aus, die noch nicht geboren sind.“ ( ‚Ausbeutung, die vieldimensionale‘).
  • „Es ist an der Zeit, unsere angehäuften Wohlstandsschulden zu begleichen sowie die Länder und Menschen des globalen Südens massiv zu unterstützen.“
  • „Globale Null-Emissionen bedeutet auch, dass künftig Kriege nicht mehr möglich sind – und allein daran zeigt sich, wie groß diese größte aller Menschheitsherausforderungen ist.“ >> In einer Null-Emissionen-Welt kann es keine physische Zerstörung durch Kriege geben, vgl. dazu bspw. die Lebensweltzerstörung in den Wäldern und Städten der Ukraine: Es gibt in der begrenzten Welt keine CO2-Budgets für den Bau bzw. Einsatz von Waffen sowie keine Ressourcen für den Wiederaufbau von Gebäuden etc.
  • „Krieg basiert auf dem Konstrukt der Ressourcenunendlichkeit.“
  • „Nur Limits beenden den Exzess.“ (Michael Kopatz 2019, 15)
  • „Ohne Veränderung gibt es keine Veränderung.“ – oder, etwas ausführlicher: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen: Es muss anders werden, wenn es gut werden soll“ (Georg Christoph Lichtenberg) oder „Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt“ (Erich Fried) oder „Eine neue Art von Denken ist notwendig, wenn die Menschheit weiterleben will“ (Albert Einstein).1
  • „Emissionsfreiheit ist die Freiheit, die wir brauchen.“
  • „Alles, was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand.“ (Charles Darwin)2
  • „Menschen sind Beziehungswesen. Es geht ums Wohlergehen und nicht um Wohlstand.“
  • „Wir Menschen möchten ‚gesehen‘ werden. Wir suchen nach ‚Resonanz‘.“ (vgl. Hartmut Rosa 2016)
  • „Die Zeit der kleinen Schritte ist vorbei.“
  • Viele Menschen verbleiben (derzeit noch) in der „gesellschaftlichen Komfortzone des ‚Weiter so‘“.
  • „Wir können die globale Umweltkrise/Krise der Mitwelt nur noch abmildern, jedoch nicht mehr beseitigen.“
  • „Jedes Zehntel Grad zählt.“ (Hamburger Zukunftsmanifest, 2020)
  • „Jetzt, sofort & heute!“ (Hamburger Zukunftsmanifest 2020)
  • „Wir haben die (über die Menschenrechte zu gewährleistenden) Grundbedürfnisse nach sauberer Luft, sauberem Wasser, guten Lebensmitteln, einem Dach über dem Kopf und sozialer Sicherheit in den Fokus zu nehmen. Mehr wird mutmaßlich gar nicht erreichbar sein. Anders ausgedrückt: Wir fordern nur die Durchsetzung der grundlegenden Menschenrechte. Das ist das Ziel des 21. Jahrhunderts.“
  • „Unser Wohlergehen ist von der Stabilität des Planeten abhängig.“
  • „Es geht längst nicht mehr um Wohlstand. Es geht um die Bewahrung menschenrechtskonformer/menschenrechtlicher Lebensbedingungen für unsere Kinder und Nachfahren.“
  • „Ziele sind keine Handlungen.“
  • „Es ist genau umgekehrt.“ | „Es ist genau andersherum.“ | „Das Gegenteil ist richtig.“
    (Diese Sätze sind eine Ermutigung, die eigene ökologische Weltsicht als Kontrapunkt zum Gesagten darzulegen.)
  • „Wir möchten/wollen/müssen ein gemeinsames Problemverständnis entwickeln.“
  • „Wir brauchen einen Neustart im laufenden Betrieb.“
  • „Die Erde ist eine ‚wunderbare Oase inmitten unbelebter Sterne, in der das Leben herrlich ist: ein wahres Wunder eben‘.“ (So der französische Ökologe Pierre Rabhi in Tomorrow, Film-Doku von Laurent/Dion 2016)
  • „Mit Konjunktiven kommt man nicht weiter.“ (Welzer 2021b, 265)
  • „Nichts-tun/‚Weiter so‘ ist (nichts anderes als) Ökozid.“
  • „Was würden Sie machen, wenn Sie 20 wären? Sich mit einem Lächeln aufs Schafott legen (lassen)?“
  • „Was ist radikal? Veränderungen einzuleiten, damit die Zivilisation erhalten bleibt? Ist es nicht vielmehr radikal, so weiterzumachen wie bisher und damit unsere Nachfahren ins Chaos zu stürzen? Was würden Sie als radikal empfinden, wenn Sie jetzt 20 Jahre alt wären?“
  • „Radikal ist, die Sache zu verharmlosen und sie auf Kosten unserer Kinder und Enkel:innen politisch aussitzen zu wollen.“ – oder, noch einfacher: „Radikal ist, so weiterzumachen wie bisher.“
  • „Wir müssen Angst haben vor den Konservativen, nicht vor Veränderung.“
  • „Die Idee, dass in einer begrenzten Welt ein steter ‚materieller Mehrverbrauch‘ möglich sei, ist eine kollektive Lebenslüge, die uns in den Zivilisationsabsturz führt.“
  • „Es gibt zurzeit keinen ‚Klimaschutz‘. Wir bringen von Jahr zu Jahr mehr CO2, Methan und Lachgas in die Atmosphäre.“ – „Wir steigern immer noch die Treibhausgasemissionen, anstatt sie zu reduzieren.“
  • „‚Weiter so‘ zerstört uns. Gesamtgesellschaftliche Transformation ist Lebensbejahung/lebensbejahend.“
  • „Wir müssen uns selbst schützen, nicht das Klima. Es geht um Menschenschutz.“
  • „Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten.“ (Eckart von Hirschhausen)3
  • „Die Natur hat immer Recht.“ (Pierre Ibisch, Ökohumanismus in zehn Thesen, 2021)
  • „Bei einem ‚Weiter so‘ droht absehbar der Zivilisationsabsturz, der unermessliches Leid über die Welt bringen wird sowie für uns und unsere Nachfahren lebensverkürzend sein wird.“
  • Wir sind es, denen unermessliches Leid droht – betroffen sind nicht erst unsere Kinder oder Enkel:innen“. Absehbar ist, dass zunehmende Konflikte nicht vor den Mauern Europas Halt machen – die Versorgungssicherheit ist gefährdet und damit potenziell auch die medizinische Versorgung. Unter solchen Umständen sowie durch die Zunahme von Katastrophen durch Extremwetter etc. ist mit einem Sinken der Lebenserwartung zu rechnen. Anmerkung: In den USA, wo die Menschen – pointiert ausgedrückt – eine Art ‚Überdosis Neoliberalismus‘ erlitten haben, ist die Lebenserwartung in den Jahren 2019 und 2020 massiv gesunken, was längst nicht nur mit den Folgen von Covid-19 zu erklären ist.4
  • „‚(Armin Laschets) Malle für alle‘ ist weltfremd.“5
  • „‚Anreize setzen‘ als alleinige Strategie ist eine Ausrede.“
  • „Niemand geht an fossile Subventionen ran.“
  • „Jede Subvention, die heute in die falsche Richtung fließt, richtet dreifachen Schaden an: Das Geld festigt den Status quo, fehlt zur Gestaltung der Zukunft und richtet eine später zusätzlich zu bezahlende Klima- und Naturzerstörung an.“
  • „Die Wahrheit ist immer zumutbar, oder? Die Wahrheit muss zumutbar sein.“6 >> als Reaktion auf einen Satz wie „Sie machen den Bürger:innen Angst.“
  • „Angst? Die Angst ist gerechtfertigt. Jeden Tag ist größere Angst gerechtfertigt. Wenn Sie zur:zum Ärztin:Arzt gehen, sind Sie froh/erleichtert, wenn sie:er eine klare Diagnose stellt. Dann kann man damit arbeiten. Mit einer Nicht-Diagnose ist man passiv in Wartestellung. Nichts ist schlimmer als Ungewissheit.“
  • „Warum fürchten sich Proaktive so davor, dass Menschen Angst bekommen? Ist es nicht vielmehr unfair, Letztere da (in die Katastrophe) reinlaufen zu lassen, ohne dass sie angemessen gewarnt worden wären und sich mittels klarer Informationen hätten anders entscheiden können?“
  • „Viele Klimaszenarien basieren auf einer ‚50-Prozent-Wahrscheinlichkeit‘: Würden Sie in ein Flugzeug steigen, dass mit einer ‚50-Prozent-Wahrscheinlichkeit‘ abstürzt?“
    Viele Klimakrisenszenarien sind mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 50 % gerechnet, d. h., es gibt eine 50/50-Chance, dass die angenommene Temperatursteigerung überschritten wird, was zu katastrophalen Folgen für die Menschheit führen würde. Es ist erstaunlich, wie gelassen viele Menschen angesichts dieser ‚Münzwurf-Wahrscheinlichkeit‘ für das potenzielle Überleben der Menschheit bleiben.
  • „Vertrag zwischen Kapital und Arbeit (Gewerkschaften) zu Lasten Dritter (der Natur/ Lebenswelt/Mitwelt)“ = Beschreibung für die Ergebnisse der ‚Kohlekommission‘.
  • „Wir brauchen eine gesellschaftliche Transformation, bei der nicht das Geld, sondern der Mensch im Mittelpunkt/Zentrum steht.“
  • „Sie tun so, als ob die derzeitige Ausformung des Kapitalismus funktionieren würde / das bestmögliche System sei. Und verneinen damit die Möglichkeit einer Alternative. Festzuhalten ist: Die derzeitige Ausformung des Kapitalismus ist weltvernichtend, d. h. sie funktioniert nicht. Wir müssen das System verändern. Und: Papst Franziskus hat 2013 treffend bemerkt: ‚Diese Wirtschaft tötet‘.“
  • „Die Lebensgrundlagen (jüngerer bzw.) künftiger Generationen zu vernichten, steht uns (den Babyboomer:innen) nicht zu.“
  • Frage aufwerfen: „Ist es christlich, die Schöpfung um des Mammons willen zu zerstören?“ – „Hauptsache, die Wirtschaft brummt?“ () – im Ernst?
  • „Eine Drei-Grad-Demokratie wird es nicht geben.“ – Ein polemischer Satz, der ggf. zu präzisieren ist, denn jedes weitere 10tel-Grad mehr Durchschnittstemperatur ist hochgradig demokratiebedrohend/gefährdend.
  • „Jeder Krieg in einer vollen Welt, einer begrenzten und ökologisch massiv angeschlagenen Welt, ist ein Krieg gegen alle Menschen und in diesem Sinne ein Weltkrieg. Jeder Krieg ist heutzutage Ökozid.“

5.2 Wichtige Aspekte, auf die systematisch aufmerksam machen soll

Gesichtspunkte, auf die, wo immer möglich, hingewiesen werden soll, in loser Folge:

Was Deutschland macht, hat global großes Gewicht.

Deutschland stellt 1,1 % der Weltbevölkerung, verursacht mit 2,1 % Emissionsanteil das Doppelte dessen, was Deutschland ‚zusteht‘, belegt mit seinen rund 84 Mio. Einwohner:innen (vgl. Destatis 2022) Rang 6 der energiebedingten CO2-Top-Emittent:innen. Die Klimakrise ist eine Folge der Industrialisierung, sodass Deutschland hinsichtlich der energiebedingten CO2-Emissionen aufsummiert, nach den USA, China und Russland, auf Rang 4 liegt. Der G7-Staat Deutschland ist bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – nach den USA, China und Japan – die weltweit viertgrößte Wirtschaftsnation.

Zusammengefasst:
Die Bundesrepublik Deutschland ist eine der globalen Hauptemittentinnen von Treibhausgasen, einer der Hauptnutznießerinnen der Industrialisierung und trägt als eine der größten und damit auch als eine der einflussreichsten Wirtschaftsnationen eine sehr hohe Verantwortung.

>> vgl. global.handbuch-klimakrise.de

  • Wer nur von der ‚Klimakrise‘ spricht, hat bereits die genauso große Krise des sechsten Massenaussterbens unterschlagen. Wir haben es mit einer multiplen Krise zu tun – und es reicht nicht, sich nur um das Klima zu kümmern. Wir befinden uns in einer umfassenden Gesellschaftskrise, d. h. konkret: Unsere Art, zu leben, ist mit den naturgesetzlichen planetaren Belastungsgrenzen nicht vereinbar. Daher bedarf es einer alles umwälzenden (gesamt)gesellschaftlichen Transformation.
  • Die derzeitige Politik ist nicht mit den Naturgesetzen kompatibel. Hier ist mittlerweile von einem ‚chronischen Versagen‘ zu sprechen.
  • Journalismus braucht Klartext: In vielen Redaktionen wird die multiple Krise der Mitwelt weiterhin als „ein Thema unter vielen behandelt, dabei ist ihr Ausmaß mittlerweile so groß, dass sie überall [– in jedem Ressort –] mitgedacht werden muss“ – wie Sara Schurmann es ausdrückt.7
  • Ein ‚Weiter soführt ins Aus. | Ein ‚Weiter so‘ führt auf jeden Fall in den Abgrund.
  • Alles könnte anders sein.
  • Man kann nicht nicht handeln.
    [Übertragen von Watzlawick et al. (2007): „Man kann nicht nicht kommunizieren.“]
  • Wer nichts macht, hilft denjenigen, die für ein ‚Weiter so‘ stehen – und beschleunigt den Zivilisationsabsturz.
  • Was hinsichtlich des Konsums nicht global verallgemeinerbar/skalierbar ist, ist kein Ansatz und keine Lösung. Dies folgt aus der Grundannahme der globalen Klimagerechtigkeit ().
  • Was hinsichtlich der Produktion nicht global skalierbar ist, ist kein Ansatz und keine Lösung.
  • Was technologisch derzeit nicht ausgereift oder noch nicht im Industriemaßstab genutzt werden kann, kann auch nicht in Maßnahmenkataloge eingehen.
  • Es gibt kein Recht auf den Besitz eines eigenen Pkw. Es gibt vielmehr ein Recht auf soziale Teilhabe und damit auch ein Recht auf grundlegende Mobilität.
  • Gewohnheitsrechte sind (ärgerliche) Illusionen.
  • Geld ist Zeit. Geld ist arbeitend verbrachte Lebenszeit. (Anmerkung: sofern man nicht von Zinsen/Erbschaften o. Ä. lebt.) Jeder Mensch hat eine begrenzte, nicht genau bekannte Lebenszeit. Setzt er seine Zeit für Erwerbsarbeit ein, stellt er Geld her – um sich dann  Lebensmittel und andere Dinge zu kaufen. Wir Menschen haben uns dessen bewusst zu sein, dass wir einen Teil unserer Lebenszeit bspw. in einen Hometrainer stecken, der originalverpackt im Keller verstaubt.
    Auf Ivan Illich geht die Idee zurück, in die Durchschnittsgeschwindigkeit, die man mit seinem eigenen Pkw erreicht (errechnet aus zurückgelegter Strecke und Zeit am Steuer) zusätzlich die Arbeitszeit aufzunehmen, die man benötigt, um für die Anschaffung und den Unterhalt des PKW aufkommen zu können. Eine Beispielrechnung kommt hier auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 26 km/h, was sportlichem Radfahren entspricht.8 Bei Berücksichtigung der Kosten, die durch Umweltschädigung entstehen, würde die Durchschnittsgeschwindigkeit noch niedriger ausfallen.
    Michael Ende hat bereits 1973 in Momo perfekt beschrieben, dass die Formel ‚Zeit ist Geld‘ zutiefst unmenschlich ist und vielmehr gilt: „Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen.“9 Wir Autoren empfehlen Ihnen explizit, diese als Kinderbuch getarnte ‚Kapitalismuskritik‘ einmal zu lesen.
  • Ökonomie ist ein Subsystem der Biosphäre. Ökonomie braucht Ressourcen, Ökonomie braucht Energie, Ökonomie braucht eine funktionierende Mitwelt. Ökonomie kann nur innerhalb dieses Rahmens funktionieren.
  • Die Ökonomie versorgt den Menschen. Ökonomie dient allen Menschen. Ökonomie hat die Aufgabe, den Menschen zu dienen, der Menschheit ein gutes Leben zu ermöglichen. Ökonomie ist ein Werkzeug, um die Grundbedürfnisse zu erfüllen und die naturgesetz­lichen planetaren Belastungsgrenzen einzuhalten. Ökonomie ist kein Selbstzweck.
  • „Entfaltungshilfe ist es, nicht Bildung, was wir brauchen.“ (Pierre Ibisch 2021, Ökohumanismus in zehn Thesen)
  • Wir berufen uns auf die unverbrüchlichen Menschenrechte, die nur auf Basis globaler Klimagerechtigkeit eingehalten werden können.
  • Wir berufen uns auf das Grundgesetz (Artikel 20a) und den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021, der unmissverständlich hervorhebt, dass die Freiheit künftiger Generationen durch den heutigen Verbrauch nicht unverhältnismäßig beschränkt werden darf.
  • Wir betonen die Menschenwürde.

  • Konventionelles Fleisch macht krank, z. B. durch Antibiotikaresistenz. Die Bürger:innen in Deutschland verzehren statistisch gesehen durchschnittlich zwei- bis viermal so viel Fleisch (60 kg pro Jahr) wie ärztlich empfohlen (16 bis 31 kg pro Jahr)10. Rotes Fleisch wie von Rind, Schwein, Schaf, Pferd und Ziege hat die zweithöchste Krebswarnstufe der UNO („wahrscheinlich krebserregend“) und verarbeitete Fleischwaren wie Wurst von  allen Tierarten haben die höchste Krebswarnstufe der UNO („krebserregend“). Was bleibt übrig? Wenig Fleisch aus biologischer Haltung von Geflügel.11
  • Mit kleinen Schritten ist es nicht getan. Reformen reichen nicht.

  • Wer von Reformen spricht bzw. auf dem Änderungsniveau von Reformen denkt, kommt i. d. R. zu dem Schluss, dass das ‚alles nicht geht‘. (Gesamtgesellschaftliche) Transformation hingegen meint, dass wir Bürger:innen das komplexe ökologisch-gesellschaftlich-politische System auf vielen Ebenen parallel massiv verändern.
    • Reform = wenige Schrauben werden nachgestellt.
    • Transformation = viele Schrauben werden nachgestellt, verstellt, ausgetauscht, an neuen Stellen installiert, weggelassen.
  • Der Preis, den wir Bürger:innen für die Aufrechterhaltung des bisherigen Systems zahlen, ist schon immer hoch gewesen – und aktuell lautet der Preis des ‚Weiter so‘, dass wir Milliarden Menschen ins Verderben schicken. Der Klimatologe Hans Joachim Schellnhuber fasst dies 2021 in folgende Worte: „Ich sage Ihnen, dass wir unsere Kinder in einen globalen Schulbus hineinschieben, der mit 98 % Wahrscheinlichkeit tödlich verunglückt.“12
  • Eine vom System verursachte Krise / ein im System liegendes Problem erfordert eine systemverändernde Lösung / einen Eingriff ins komplexe Gesamtsystem. Ein Etappensieg wird nichts wert sein in der sich erhitzenden Welt. Zweite Sieger gibt es bei diesem Endspiel um die Menschheit nicht.
  • Ein Etappensieg wird nichts wert sein in der sich erhitzenden Welt. Zweite Sieger gibt es bei diesem Endspiel um die Menschheit nicht.


5.3 Argumentation mittels eingängiger Vergleiche

Hilfreiche Zitate, um bildhaft und leicht nachvollziehbar in Form von Vergleichen argumentieren zu können, in loser Folge:

  • „3.800 Tonnen Eis gehen pro Sekunde verloren [beim Eisschild auf Grönland].“ – „Das sind ungefähr 150 Tanklaster […]. [S]tellen Sie sich vor, Sie würden pro Sekunde 150 solcher Laster auf der Autobahn überholen.“ (Josef Zens 2018, Geowissenschaftler)12
  • „Für jede Tonne CO2, die irgendwo auf der Erde freigesetzt wird, etwa durch das Triebwerk eines Jets, verschwinden weitere drei Quadratmeter sommerliches Eis [= sommerliche Meereisbedeckung] in der Arktis.“ (Dirk Notz, Klimaforscher, 2016)
  • Wir Menschen feuern uns mit Kohle, Gas und Öl sozusagen ins Dinosaurierzeitalter zurück. Konkret verfeuert die Menschheit derzeit jedes Jahr – Jahr für Jahr – so viel Erdöl, Kohle und Gas, wie „sich zur Zeit der Entstehung […] in rund einer Million Jahre gebildet ha[ben].“ (Stefan Rahmstorf u. Hans Joachim Schellnhuber, Klimaforscher, 2018, 34)
  • „Die unbezahlte Arbeit der Frauen ist eine Quersubventionierung der Privatwirtschaft.“ (Elisabeth Raether, Journalistin, 2020)
  • „Um unsere Wurzeln zu finden, sollten wir vielleicht dort suchen, wo Wurzeln gewöhnlich zu finden sind.“ (Ursula K. Le Guin, Autorin, 2020, 36)
  • „Wer hat dem Nationalökonomen Adam Smith sein Essen gekocht?“ (Georg Diez, Kolumnist, 2018)
  • „Auf einem Dampfer, der in die falsche Richtung fährt, kann man nicht sehr weit in die richtige Richtung gehen.“ (Michael Ende, Schriftsteller, 1994, 276)
  • „Unsere Ernährung umzustellen wird nicht ausreichen, um die Erde zu retten, aber wir können sie nicht retten, ohne uns anders zu ernähren.“ (Jonathan Safran Foer, Autor, 2019, 100)
  • Die „4F“ meiden: Fliegen, Fleisch, Finanzen und Fummel. (Maja Göpel, Transformationsforscherin, 2020b) – Mit ‚Finanzen‘ ist die Vermeidung traditioneller Banken/Anlageformen gemeint. Fummel = per Ausbeutung produzierte ‚Einwegklamotten‘.
  • „Fleischessen und Urlaubsflüge haben […] nichts mehr mit persönlicher Freiheit zu tun. Wir dürfen nicht die Freiheit haben, die Welt zu ruinieren, Millionen Menschen verhungern zu lassen und 21 Hühner pro Quadratmeter zu halten.“ (Hagen Rether, Kabarettist, zit. in Bonner/Weiss 2017, 297, s. auch )
  • „Ich habe neulich in der New York Times gelesen, die haben eine Studie rausgebracht, es gibt in deutschen DAX-Vorständen mehr Männer, die Thomas heißen, als Frauen.“ (Hagen Rether, Kabarettist, 2018)
  • „Es ist schwierig jemand dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn sein Gehalt davon abhängig ist, es eben nicht zu verstehen.“ (Upton Sinclair, Schriftsteller, 1935)

Weitere Vorschläge für ‚eingängige Vergleiche‘ bzw. Wortbilder:

  • Es ist wie mit Schulden: Wir Menschen haben uns bei der Welt verschuldet. Und nun machen wir die Augen zu und wissen doch, dass wir in unserem Haus (die Welt) nur bleiben können, wenn wir die Schulden zurückzahlen: Wir verharren jedoch statisch, wie der Affe, der die Kokosnuss nicht loslässt, obwohl er sie nicht durch die Gitterstäbe hereinholen kann.
  • Demokratie heißt Teilhabe. Wer sich als Bürger:in aus dem demokratischen Prozess herauszieht, überlässt anderen das Feld.
  • Wo andere schicke Autos oder ein ‚Traumhaus‘ sehen, sehen wir, die Autoren dieser Handreichung, in erster Linie Ressourcen und Energie. Unser Vorschlag: Schauen Sie sich einmal drei Minuten in Ruhe den Raum bzw. die Umgebung an, wo Sie gerade sitzen – und deuten Sie, was Sie sehen in Energie und Ressourcen um. Dann wird Ihnen sonnenklar, dass unsere Lebensweise dauerhaft so nicht funktionieren kann.
  • Gewohnheitsrechte sind keine Rechte, sondern lediglich schleichend ausgedehnte und schließlich beanspruchte, meist grenzüberschreitende und in diesem Sinne schlechte Angewohnheiten. Daher ist es oftmals wie folgt: „Für Menschen, die sehr privilegiert sind, […] fühlt sich Gerechtigkeit an, als würde einem was weggenommen.“ (Gerhard Reese, Sozialpsychologe, 2020)13
  • Die Natur hat die ökologische Pistole an die Schläfe der Menschheit gesetzt.


5.4 Wording/Framing, wo man einhaken soll

Wording/Framing, das in Gesprächen situationsabhängig ggf. attackiert werden bzw. bei dem man wachsam sein soll, in loser Folge:

Wortlaut des Pariser Abkommens

„1. Dieses Übereinkommen zielt darauf ab, [dass] […] der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da erkannt wurde, dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde […].“ (BMU 2015)

  • Die völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung von Paris 2015 lautet: ‚Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad begrenzen.‘
    Doch tatsächlich sprechen viele Politiker:innen, Journalist:innen und sogar auch Expert:innen diesbezüglich vom „2-Grad-Ziel“. Hierzu ist Folgendes festzuhalten: Das existiert nicht. Diese Verkürzung von ‚Paris‘ ist unzulässig, da hinter „deutlich unter 2 Grad“ wesentlich stärkere Erfordernisse stehen als hinter der genannten verwässerten Aussage. Wir Autoren regen an, hier jedes Mal einzuhaken und das Gegenüber entsprechend zu korrigieren.
  • Obgleich „1,5 Grad“ gemeinhin als besonders ambitioniertes Ziel gilt, stellt Sara Schurmann dazu vollkommen zu Recht fest: „1,5 Grad sind nichts Gutes.“14 Und wenn es für 1,5 Grad nicht reichen sollte, ist nicht auf einmal alles verloren, vielmehr gilt: „1,6 Grad sind besser als 1,7 Grad sind besser als 1,8 Grad […].“15
  • ‚Aber‘ und ‚trotzdem‘ meiden, stattdessen lieber wie folgt: ‚Und gleichzeitig ist es so und so.‘ Begründung: ‚Ja, aber‘, ‚aber‘ und ‚trotzdem‘ nach einem Komma sorgen dafür, dass alles Gesagte vor dem Komma verneint/ungültig wird. Durch die Formel ‚Und gleichzeitig ist es so und so‘ werden die beiden Satzteile konstruktiv zu einem Ganzen zusammengeführt.
  • ‚Eigentlich‘ kann aus einer Aussage eine Absage machen. Das funktioniert wie beim Wort ‚Ja, aber‘/‚aber‘, welches alles relativiert, was vor dem ‚aber‘ gesagt wurde. ‚Eigentlich‘/ ‚aber‘ sorgt dort für ein rhetorisches Verständnis für Positionen, die man nicht teilt und denen man widerspricht, s. auch Ausführungen zu „Der Hauptbegriff startet das Framing“.
  • ‚Ganz ehrlich‘ bedeutet faktisch, dass die:der Aussagende sonst nicht immer ehrlich ist.
  • „Fragen Sie mich als Politiker:in oder als Mensch?“ – Hier kann man zurückspiegeln, dass man diese Unterscheidung nicht für zulässig hält und die Person diese Entscheidung selbst treffen soll (‚gelebte Schizophrenie‘).

  • Einen ‚Wirtschaftsnobelpreis‘ gibt es nicht. Besagter Preis ist ein 1968 gestifteter „Preis der Schwedischen Nationalbank in Wirtschaftswissenschaft in Erinnerung an Alfred Nobel“.
  • Nicht Tempo- oder Durchfahrtsbeschränkungen führen zur Ökodiktatur, sondern potenziell das ‚Weiter so‘-Nichtstun.
  • ‚Der Markt‘ ist das ‚Goldene Kalb‘, welches bisweilen personifiziert wird („Wie werden die Märkte reagieren?“) und dessen unbedingte Priorisierung von den Verfechter:innen des Neoliberalismus als Allheilmittel angepriesen wird. Pointierte Analyse: Angebot und Nachfrage finden sich bei einem Marktpreis. Wer diesen z. B. für Lebensmittel nicht bezahlen kann, hungert. Oder verhungert. Der Markt ist folglich der Grund, warum weltweit immer noch etwa 800 Millionen Menschen hungern.
  • Politiker:innen ziehen in Diskussionen gerne ‚rote Linien‘ ein wie bspw. der ehemalige Wirtschaftsminister Altmaier im Gespräch mit Luisa Neubauer es mit „Klimaschutz kann nicht auf Kosten von Wohlstand und Arbeitsplätzen gehen“16 versuchte. Wir Autoren regen an, konzentriert auf solche absoluten Setzungen im Gespräch zu achten und ggf. umgehend infrage zu stellen. Andernfalls wird es nachfolgend möglicherweise schwierig, den Diskurs offen zu gestalten ( ‚Altmaier‘sches Bonmot‘).
  • ‚Marktkonforme Demokratie‘ – das ist ein z. B. von Angela Merkel verwendeter Begriff, der umformuliert klarer wird ‚Die Demokratie hat marktkonform zu sein‘: Wo es Konflikte zwischen beidem gibt, muss bei dieser Lesart die Demokratie zurückstehen. Insbesondere darf aus dieser Perspektive der Markt nicht durch die Demokratie abgeschafft werden.

  • ‚Leistungsgesellschaft‘ – Richard David Precht hält dazu fest: „Wenn heute in Deutschland pro Jahr 400 Milliarden Euro schlichtweg vererbt werden, ist der Begriff ‚Leistungsgesellschaft‘ kaum mehr als ein Euphemismus.“17, s. auch ‚Konkurrenzgesellschaft, die‘.
  • Wirtschaftsweisen, die [fünf] – umgangssprachliche Bezeichnung des 1963 eingesetzten „Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“. Der Begriff ist nach Dafürhalten der Autoren als systemunkritisch abzulehnen. Er weist zudem unseres Erachtens einen unangenehmen Unfehlbarkeitsanspruch auf.
  • ‚Ökologische Moderne‘ (= ‚Wachstum‘). Ein Begriff, der genutzt wird, um eine ‚grüne Revolution des Wachstums‘ zu beschreiben. Konkret geht es um die widerlegte Idee18, man könne den Ressourcenverbrauch absolut von der Steigerungslogik bzw. von mehr Mehrverbrauch entkoppeln, s. auch ‚grünes Wachstum‘.

Weiteres Framing, bei dem man einhaken soll – in Form von typischen Sätzen:

  • „Die sozial Schwachen liegen in der sozialen Hängematte.“ >> Das ist pure Demagogie. Sollen wir Bürger:innen wirklich von den ‚sozial Schwachen‘ sprechen oder nicht eher von den ‚ökonomisch Schwachen‘? Sozial schwach bzw. antisozial sind nach dem Erleben der Autoren eher diejenigen, die solche Sätze von sich geben. Hier sei zudem die Bemerkung erlaubt, dass die Hängematte, in der sich reiche Erb:innen befinden, deutlich besser gepolstert ist. Diese werden in dieser Gesellschaft oftmals als ‚Leistungsträger:innen‘ bezeichnet.
  • „Wirtschaft wieder ankurbeln.“ | „Wir dürfen die Wirtschaft wegen des Klimas nicht belasten.“ >> ‚Wirtschaft‘ wird personifiziert, wer ist Wirtschaft? Enthält eine Prise irrational anmutenden ‚Wachstumsglaubens‘ und stellt die Wirtschaft bzw. den Markt über die Natur ( ‚(mehr) Mehrverbrauch, der‘ und ‚Altmaier‘sches Bonmot‘).
  • „Privater Konsum muss zunehmen.“ – Eine lustige Ansicht in Zeiten, in denen der Keller/Dachboden mit kostenintensiven Staubfängern voll ist, die originalverpackt in der Ecke stehen. Diese Aussage ist identisch mit der Forderung nach (mehr) Mehrverbrauch ( ‚(mehr) Mehrverbrauch, der‘).

  • „Hauptsache, die Wirtschaft brummt.“ – Schwer ist es, auf diesen Satz zu reagieren, weil man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Wie wäre es mit folgendem Hinweis: „Denken Sie das mal zu Ende.“ oder: „Wenn Sie einen Zivilisationsverlust befürworten, haben Sie Recht.“
  • „Beim Klimawandel geht es darum, Emissionen zu verringern, nicht darum, das System zu verändern.“ >> Glaubt man an die technologische Machbarkeit, übersieht man die ebenso dramatische Krise des sechsten Massenaussterbens – der mit technologischen Innovationen schlicht nicht beizukommen ist, sondern vorrangig durch genau eine Maßnahme: Unterlassung.
  • „Technik wird es richten.“ >> Nein, wird sie nicht. Sie ist notwendig – aber nicht hinreichend. Das große und entscheidende ‚Veränderungserfordernis‘ liegt bei der Gesellschaft.

  • „Wir sind nicht für die Vergangenheit verantwortlich.“ >> Oh, wirklich nicht? Dieser Logik folgend wäre es konsequent, das durch Ausbeutung von Mensch und Natur erworbene Vermögen abzugeben ().
  • „Die Länder im globalen Süden sind das Problem.“ >> Diese Behauptung kommt in zwei Varianten daher:
    Zum einem als ‚China‘, das bei den Pro-Kopf-Emissionen zurzeit noch knapp hinter Deutschland19 liegt. Dass die Emissionen in China so hoch sind, liegt zu einem guten Teil daran, dass – um ein Beispiel zu geben – ein in China (‚Werkbank/Schornstein der Welt‘20) produzierter und in Deutschland genutzter Fernseher i. d. R. der CO2-Bilanz von China angerechnet wird.
    Zum anderen als ‚Überbevölkerung‘ (, in der Top 25). Letzteres trifft eher auf Deutschland zu, welches erhebliche (Agrar-)Flächen im Ausland nutzt.21
  • „Wenn eine Ressource ausgeht, dann ist eine andere da, um sie zu substituieren.“ >> Das ist ein sog. ‚Mainstream-Argument‘. Es handelt sich dabei um ein durch nichts bewiesenes Wunschdenken.
  • „Ressourcen werden nie knapp, das regelt der Markt über Preise.“ >> Hier gilt das gleiche wie vorstehend. Handelt es sich um einen Anflug von ‚magischem Denken‘?
  • „Es gibt praktisch unbegrenzte Ressourcen.“ >> Auch das ist ein ‚Mainstream-Argument‘. Ob sich das aktuell noch jemand zu formulieren traut, die:der ernst genommen werden möchte?
  • „Wir dürfen niemanden bevormunden, wie sie:er zu leben hat. Wir dürfen der:dem Bürger:in nicht vorschreiben, was sie:er konsumieren darf.“ >> Das ist faktisch eine Anleitung für den direkten Weg in die Katastrophe. Dabei gilt: im Zweifelsfall pro Zukunftsermöglichung. Und wir Mitbürger:innen haben uns zu vergegenwärtigen, dass viele der mit diesen Sätzen verteidigten ‚Freiheiten‘ vor zwei, drei Jahrzehnten so noch gar nicht existierten. Die rote Linie ist gemäß Bundesverfassungsgerichtsbeschluss von 2021 dort zu ziehen, wo junge/künftige Generationen in ihrer Freiheit nicht beschränkt werden dürfen ().
  • Unerwünschte (jedoch wissenschaftlich längst belegte) Fakten werden oft als ‚Ideologie‘ bzw. deren Nennung als ‚ideologisch‘ gebrandmarkt. Wir regen an, auf die Wissenschaft zu verweisen und deren Herabsetzung/Leugnung als tatsächlich ideologisch zu benennen. So lässt Christian Lindner (FDP) im Oktober 2022 verlauten, „[e]r sei für eine ‚ideologiefreie Energiepolitik‘ […] und deshalb müsse man jetzt auch in Europa wieder fossile Brennstoffe fördern.“22 Christian Stöcker bemerkt dazu: „Der FDP-Chef hält also das Faktum, dass wir keine weiteren fossilen Brennstoffvorräte mehr erschließen dürfen, wenn wir die Welt nicht in den Abgrund stürzen wollen, weiterhin für eine Glaubensfrage (‚Ideologie‘).“23
  • Ein Vorschlag: Reagieren Sie auf die Erwähnung von / Forderung nach ‚Wachstum‘ amüsiert und geben Sie zurück, dass die Welt dann wohl auch eine Scheibe sei. Und wenn mal wieder die alten ‚roten Socken‘ bemüht werden, d. h. die SPD, die Linken, der Sozialismus, der Kommunismus etc.: Wir Autoren regen an, dass Sie über ‚Rote Socken‘-Erwähnungen bei Diskussionen einfach lachen. Überhaupt: Gute Laune ist ansteckend.

Endnoten:

1 Vgl. Schulz 2020 (den jeweiligen Autoren zugeschrieben). | 2 Vgl. Schulz 2020 (Darwin zugeschrieben). | 3 Hirschhausen 2021a. | 4 Vgl. Morgenstern 2022. | 5 Vgl. Zeit 2021. | 6 Vgl. Ingeborg Bachmann, 1959: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“ | 7 Schurmann 2022. | 8 Vgl. FAZ Blog 2012. | 9 Michael Ende 1973, 63. | 10 Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE), zit. in Spiegel 2017. | 11 Vgl. Zikant 2015, Verbraucherzentrale 2015. | 12 Schellnhuber 2021. | 12 Zit. in Schadwinkel 2018. | 13 Gerhard Reese zit. in Kaffka 2020. | 14 Schurmann 2022, Titel des Kapitels 1.2. | 15 Pendzich 2022b. | 16 Zit. in Amann/Traufetter 2019. | 17 Precht 2018, 115. | 18 Vgl. dazu Parrique et al. 2019 u. Haberl 2020. | 19 Vgl. Statista 2022. | 20 Vgl. Klein 2015, 104. | 21 Vgl. Nicolai 2013. | 22 Zit. in Stöcker 2022. | 23 Stöcker 2022.


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